Eppler erinnert an SED/SPD–Papier

■ Verhaftungen nicht mit Dialog–Papier vereinbar / SPD verlangt Freilassung der Inhaftierten

Aus Berlin Stefan Schönert

Mehr als 20 in der vorigen Woche verhaftete ausreisewillige DDR– Bürger sollen nach Angaben aus informierten Kreisen vor Gericht gestellt werden. Bei ihnen handelt es sich um Ost–Berliner. Gegen sie wird es auch Urteile geben. Das Verhältnis zwischen SPD und SED ist durch die Massenverhaftungen und Personenkontrollen in der DDR am Wochenende stark belastet worden. Das Präsidium der Sozialdemokratischen Partei erklärte gestern in Bonn, die Festnahmen widersprächen den Grundsätzen des gemeinsamen Papiers von SPD und SED, das im August des letzten Jahres verabschiedet worden war.Gleichzeitig forderten die Sozialdemokraten die Freilassung der Verhafteten und den Verzicht auf staatliche Repression in der Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen. Der Vorsitzende der SPD– Grundwertekommission, Erhard Eppler, der die gemeinsame Stellungnahme der Parteien wesentlich mitprägte, sprach von „plumpem Zugreifen der Staatssicherheitsorgane“, das dem „Geist und Wort“ des Papiers widerspreche. Neben den kritischen Erklärungen ließen die Sozialdemokraten gestern eine geplante Reise der SPD–Arbeitsgruppe „Kunst und Kultur“ in die DDR platzen. Zur Begründung erklärte der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Freimut Duve, die DDR hätte die Auflage erlassen, keine Kontakte oder Gespräche außerhalb des offiziellen Programms zu führen. „Das widerspricht unserem Selbstverständnis von kultureller und künstlerischer Freiheit“, erklärte Duve. Die Reise sei „im Zeichen des SPD–SED Dialogpapieres“ geplant gewesen und müsse deshalb Raum für Gespräche mit Künstlern außerhalb des Programmes bieten. Eine politische Aussagekraft des Papieres über DDR–interne Vorkommnisse wird von der SED bestritten. Bereits Ende Januar hatte der Ost–Berliner Dozent an der Akademie für Geisteswissenschaften beim ZK der SED, Frank Berg, solche Äußerungen als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ kritisiert. Frank Berg, der das SPD–SED Papier mitgestaltete, erklärte damals auf einer Veranstaltung in West–Berlin, die im Papier angesprochene „Kultur des politischen Streits“ habe mit innenpolitischen Angelegenheiten der DDR „nichts zu tun“.