Gunar Seitz muß nicht zum Bund

■ Gerichte lehnten ökologische Begründung gegen Kriegsdienst ab / Bundeswehr verzichtet

Aus Berlin Kathrin Elsner

Der 27jährige Totalverweigerer Gunar Seitz, der als bisher einziger mit einer ausschließlich ökologischen Begründung den langen Marsch durch die Instanzen gewagt hatte, muß nicht zur Bundeswehr. Obwohl kein Gericht seine Begründung anerkannt hatte, erhielt Seitz vom Kreiswehramt Kassel jetzt den Bescheid, daß er mit einer Einberufung nicht mehr zu rechnen habe. „Leben und Lebensschutz wurden zum Ausgangspunkt meiner Argumentation“, schrieb Seitz 1981 in seinem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Die Bundeswehr - wie das Militär insgesamt - führe auch in Friedenszeiten Krieg gegen die Natur. Dies werde durch Tiefflüge, Lärm– und Abgasbelastun gen, Manöver, Landschaftsraub durch militärische Anlagen und hohen Rohstoffverbrauch der Armeen deutlich. Die Stuttgarter Prüfungskommission war „total sprachlos“, erinnert sich Seitz, da hier zum ersten Mal nicht mit Gewissens– oder religiösen Gründen argumentiert wurde. „Ich hatte das Gefühl, ich muß es darauf ankommen lassen, schon allein um die Diskussion um eine ökologisch begründete Verweigerung in Gang zu setzen“, sagt Seitz. Seine Arbeit im ökologischen Bereich - er organisiert Öko–Kongresse und schreibt Gutachten - habe ihm die Umweltzerstörung durch das Militär in dem sieben Jahre währenden Prozeß „immer bewußter gemacht“. Die Bundeswehr hat von Gunar Seitz bis auf eine Nachmusterung in Jahr 1984 keine Notiz genommen. Das liegt seiner Ansicht nach daran, daß „die Bundeswehr keine Auseinandersetzung mit einer ökologischen Begründung will“. Die Tatsache, daß es leicht sei, ökologische Argumente gegen den Kriegsdienst zu finden, mache der Bundeswehr Angst. „Eine ökologische Begründung sehen auch die Konservativen ein, das ist eine Gefahr für die Bundeswehr“, glaubt Seitz. Dies sei auch der Grund, warum der Bund jetzt auf ihn verzichte, obwohl ihn kein Gericht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt hatte. Gunar Seitz ist optimistisch, daß sein Beispiel Schule machen wird. Die „Arbeits– und Forschungsstelle Militär, Ökologie & Planung“ (MÖP) in Alheim– Oberellenbach, plant eine Beratungstelle für ökologische Kriegsdienstverweigerung. „Von uns bleibt mehr als Worte oder Gesten: Der glühende Wunsch nach Freiheit ansteckende Sehnsucht.“ G I O C O N D A B E L L I Unser Freund ist tot. * 16.5.1943 2.3.1988 Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Gießen–San Juan del Sur (Nicaragua) Hartmut Kärner