MLPD „enttarnte“ Verfassungsschutz–Agenten

■ Die „Speerspitze des Proletariats“ ließ in Gießen den Spitzel Jonas hochgehen / Jonas verjubelte Judaslohn von monatlich 300 DM in bayerischen Bordellen / Für die MLPD jedenfalls ist Jonas ist ein „Verräter“ an der Arbeiterklasse geworden

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der Walfisch war es nicht, der den ÖTV–Funktionär Klaus Jonas im hessischen Gießen auf politisch „festes Land“ spie. Der Jonas der Neuzeit wurde vom Verfassungsschutz direkt in das Herz der „Speerspitze des Proletariats“ - der Marxistisch–Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) - „eingepflanzt“. Und arm war er auch nicht, der Klaus Jonas aus Gießen, denn der Verfassungsschutz ließ sich die Spitzeldienste des Gewerkschafters, der als Angestellter des Regierungspräsidenten die mittelhessischen Lehrer zu betreuen hatte, einiges kosten. Rund 500 Deutschmark pro Monat hatten ihm die „Herren des Morgengrauens“ als Judaslohn zugesagt; daß es dann nur etwa 300 DM monatlich wurden, scheint den Spitzel Jonas in seinem Eifer, das „Proletariat“ ans Messer liefern zu wollen, nicht gebremst zu haben. Denn Jonas - so Beweismaterial, das der Sprecher der Be zirksleitung Hessen der MLPD, Veit Müller–Red, der taz vorlegte - hatte eine Liste all der Bordelle in Bayern erstellt, in denen mann auch mit „nur“ 300 DM in der Tasche gut „verkehren“ konnte. Für die „Rote Fahne“ ist der Ex– Revolutionär Jonas, der schon vor Jahren in Hannover Aktivist der MLPD wurde, seit seiner Enttarnung im Februar 88 ein „verkommenes Subjekt“, das nicht davor zurückgeschreckt habe, sich als Betreuer der Kinder von Arbeitern und Genossen“ freiwillig gemeldet zu haben. Aber auch der „Staatsapparat“ bekommt im Zentralorgan sein Fett ab: „Die Methoden, mit denen die Spitzelorgane vorgehen, zeigen nur die Werte, die sie verteidigen wollen: Es ist der Verrat, die Erpressung und die Käuflichkeit.“ Nach den Recherchen der MLPD - und einem vorliegenden schriftlichen „Geständnis“ von Jonas - wurde der ÖtV–Mann, der von der Gewerkschaft als „Teamer“ eingesetzt wurde, vom Verfassungsschutz tatsächlich unter Druck gesetzt. Man habe ihm mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes im Regierungspräsidium Gießen gedroht, falls er sich weigern sollte, seine Genossen zu bespitzeln. Jonas ließ sich Anfang 87 auf den „deal“ mit mit dem Verfassungsschutz ein und traf sich von April bis Dezember 87 insgesamt neunzehnmal mit einem gewissen „Gerold“ oder mit anderen Herrschaften vom hessischen für Verfassungsschutz. MLPD–Sprecher Veit Müller– Red legte der taz am Montag ganze Seiten von Fotokopien aus dem Kalender von Jonas vor, aus denen hervorgeht, daß die Geheimtreffen zwischen Spitzel und Auftraggebern in Gaststätten und Autobahnraststätten in der Umgebung Gießens stattfanden. Ausgerechnet bei einem Treffen im christlichen Kloster Arnsberg bei Lich wurden Jonas und seine Freunde von den „Genossen“ der MLPD beobachtet - der Spitzel flog auf und wurde post wendend aus der Partei ausgeschlossen. Zuvor jedoch mußte er der MLPD–Bezirksleitung seine Spitzeltätigkeit schriftlich bekennen. Diese „Selbstbezichtigung“ dient der MLPD - zusammen mit den Kalenderblättern des Herrn Jonas - jetzt als „Beweismittel“. Denn Jonas ging inzwischen gleichfalls in die Offensive, da auch die Gewerkschaft ÖtV im Kreis Lahn/Dill wissen wollte, was ihr Mitglied in der MLPD zu suchen hatte. Eine Mitgliedschaft in der Kaderorganisation MLPD sei nämlich mit einer Mitgliedschaft in der ÖtV „unvereinbar“. Anfang Februar erklärte Jonas denn auch gegenüber dem ÖtV– Kreisgeschäftsführer Rainer Friebertshäuser, daß er überhaupt kein Mitglied der MLPD sei und auch mit den Zielen dieser Partei keinesfalls sympathisiere. Und den „Anwerbeversuchen“ des Verfassungsschutzes habe er immer tapfer widerstanden. Nach Angaben von Jonas habe ihn die MLPD mit „massivem Druck“ zur Mitarbeit in der Partei gezwungen. Nach einer Sitzung des Personalrates des Gießener Regierungspräsidiums, dem Jonas angehörte, erklärten sich die Gewerkschaftskollegen mit Jonas solidarisch und sprachen von einem „Rachefeldzug der MLPD“ gegen den „armen Jonas“. Diese „Verdrehung der Tatsachen“ hält MLPD–Sprecher Müller–Red für eine besonders hinterhältige Taktik. Ein „Skandal“ sei nämlich nicht nur die Bespitzelung seiner Organisation, sondern mehr noch der Umstand, daß Jonas als „Verfassungsschutzspitzel“ im Regierungspräsidium tätig war: „Es handelt sich hier nicht nur um einen weiteren Fall von zunehmender Bespitzelung und Überwachung, sondern auch um das Zusammenwirken polizeilicher und politischer Funktionen.“ Für die MLPD jedenfalls ist Jonas zum „Verräter“ an der Arbeiterklasse geworden. Und wer sich dazu hergibt, der müsse sich über die Folgen einer solchen Tat im klaren sein, „sein ganzes Leben lang“.