Frauenhandel leichtgemacht

■ Der Handel mit asiatischen Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, wird kaum bekämpft

Zum Internationalen Frauentag haben erstmals 63 weibliche Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen eine Große Anfrage zum Thema „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ an die Bundesregierung gestellt. Öffentlich

In der Nacht vom 19. zum 20. Februar dieses Jahres verbuchte die Polizei für sich einen Erfolg. Bei einer Großrazzia in Bordellen und Wohnungen am Stuttgarter Platz in der Berliner Innenstadt wurden 30 thailändische Frauen erkennungsdienstlich behandelt und ein bereits per Haftbefehl gesuchter Gastwirt festgenommen. Die nächtliche Aktion richtete sich vor allem gegen eine organisierte Bande, die seit mehreren Monaten im Mittelpunkt polizeilicher Ermittlungen steht. In den vergangenen Jahren sollen die Beschuldigten fast alle bordellartigen Betriebe am Stuttgarter Platz unter ihre Kontrolle gebracht und dort ein Zentrum illegaler Prostitution mit südostasiatischen Frauen etabliert haben. Ergebnis: 45 Ermittlungsverfahren vor allem wegen schwerer Körperverletzung und Förderung der Prostitution. In sechs Fällen ist Anklage wegen des Verdachtes auf Menschenhandel erhoben worden. Ein Verhandlungstermin steht zur Zeit noch aus. Puffs werden kaum behelligt „Gäbe es einen engagierten Staatsanwalt, so gingen die Razzien nicht vorwiegend zu Lasten der thailändischen Frauen“, empört sich eine Mitarbeiterin der nur wenige Meter vom Stuttgarter Platz entfernten Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten. Die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes sind inzwischen zu kenntnisreichen Vertrauten der thailändischen Frauen geworden. Nach ihren Erfahrungen werden Salons oder Bars nach Durchsuchungen nur in Ausnahmefällen - und auch dann nur für kurze Zeit - geschlossen. Innerhalb weniger Tage kann der Betrieb in der Regel ungehindert weitergeführt werden. Nicht selten vom gleichen besitzer, gegen den u.U. ein Steuerprüfungsverfahren eingeleitet wurde. Den in den Salons angetroffenen thailändischen oder philippinischen Frauen wird dagegen ohne eindeutige Beweislage Prostitution zur Last gelegt. Häufig werden sie unter dem Verdacht des Verstoßes gegen das Ausländerrecht in Abschiebehaft genommen. Dabei mußten die Frauen, die hier zur Prostitution gezwungen wurden, den Trip in die BRD selbst mit hohen Summen bezahlen. Zwischen 4.000 und 10.000 DM kassieren die Menschenhändler für den „Transfer“. Wenn die Frauen Glück haben, werden sie nach einer Razzia „nur“ erkennungsdienstlich behandelt und mit einem Stempel im Paß zur unverzüglichen Ausreise aufgefordert. Um zu dieser Ausreiseaufforderung zu gelangen, müssen die Frauen zusätzlich aus formalrechtlichen Gründen eine bürokratische Tollheit über sich ergehen lassen. Profitable Geschäfte durch Rotationsverfahren Die Frauen, die in der Regel weder das gesprochene noch das geschriebene Deutsch beherrschen, müssen einen zweiseitigen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde stellen. Damit ihnen kurze Zeit später die Ablehnung ihres Antrages zugestellt werden kann. Selbstverständlich in deutsch und ohne die Möglichkeit, einen Dolmetscher zur Ver fügung zu haben. Im Gegensatz zu den Frauen bleiben die Menschenhändler meist unbehelligt. Im Berliner Bezirk Neukölln wandten sich Ende 1986 drei thailändische Frauen hilfesuchend an die Beratungsstelle im Gesundheitsamt. Mit dem Versprechen, als Gärtnerinnen oder Putzfrauen in Berlin arbeiten zu können, waren sie von zwei thailändischen Schlepperinnen angeworben worden und sofort nach ihrer Ankunft in einen zentralen Bordellbertrieb in Berlin–Neukölln gebracht worden. Von dort aus wurden sie gewaltsam von angestellten Fahrern des Betriebes mit dem Auto über verschiedene Puffs verteilt. Die Frauen erklärten sich bereit, trotz drohender Abschiebung Anzeige zu erstatten. Zwei Tage nahm die Polizei die detaillierten Schilderungen zu Protokoll. Nach sieben Wochen der Ermittlung wurde den nachfragenden Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle mitgeteilt, daß die Aussagen der Frauen für eine Anklageerhebung nicht ausreichten und die Ermittlungen eingestellt werden. In der Neuköllner Zentrale florieren die profitablen Geschäfte bis heute. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft geht die Polizei in jüngster Zeit nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Bundesländern wie Niedersachsen und Hessen mit massiven Razzien gegen illegale Prostitutionsbetriebe vor. Doch wie in Berlin werden die organisierten Menschenhändler auch im Bundesgebiet nicht daran gehindert, sich nach Abschiebubg der Prostitiierten sofort mit frischen „Handelsobjekten“ zu versorgen. Der schnelle Umschlag von Frauen steigert den Verdienst der Männermafia, da sie die „Transfergebühren“ jedes mal neu kassieren . Die Berliner Stadträtin Anette Schwarzenau sieht deshalb ebenso wie ihre Mitarbeiterinnen von der Beratungsstelle in der konsequenten Anwendung des Paragraphen, der Menschenhandel ahndet, eine der wirksamsten Möglichkeiten, den wirklichen Kriminellen in diesem Geschäft das Handwerk zu legen. „Leider kommt dieses Gesetz in der Praxis so gut wie nie zur Anwendung“, bemängeln die Frauen. Ob sich daran etwas ändert, wird nicht zuletzt der jetzt anstehende Prozeß um den Menschenhändlerring am Stuttgarter Platz beantworten. Regine Walter–Lehmann