I N T E R V I E W „Kurzfristig wird es keine Lösung geben“

■ Der ehemalige Contra–Führer Edgar Chamorro zu den Gesprächen zwischen Sandinisten und Contra: Keine Chance für eine Einigung

Zum ersten Mal treffen sich heute Vertreter der Regierung Nicaraguas und der Contra zu Verhandlungen auf nicaraguanischem Boden. Die Gespräche, die vermutlich bis Freitag dauern, finden in Sapoa, einem Dörfchen an der Grenze zu Costa Rica, statt. Die Regierungsdelegation wird von Verteidigungsminister Humberto Ortega angeführt. Auf seiten der Contra verhandelt Adolfo Calero, Mitglied der sechsköpfigen Führung der „Resistencia Nacional“, wie sich Reagans „Freiheitskämpfer“ offiziell nennen. Kardinal Obando y Bravo, der bislang die Gespräche zwischen Contra und Sandinisten vermittelt hat, wird nur noch als „Zeuge und Garant“ anwesend sein, nachdem die Sandinisten seine Mission für beendet erklärt haben. Als weiterer Zeuge wird Joao Baena Soares, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), den Verhandlungen beiwohnen. Über die Perspektiven der Verhandlungen sprach die taz mit Edgar Chamorro, der bis November 1984 der Contra–Führung angehörte. 1985 trat Chamorro vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der die Verminung nicaraguanischer Häfen durch die CIA verurteilte, als Zeuge gegen die Contra auf. Heute arbeitet er im Washingtoner „International Center for Development Policy“, das der Demokratischen Partei nahesteht. taz: Wie immer besteht die Contra darauf, über politische Fragen zu verhandeln. Die Sandinisten hingegen wollen ausschließlich über die Modalitäten eines Waffenstillstandes reden. Wird auch diese Dialogrunde scheitern? Edgar Chamorro: Ursprünglich hat die Contra ja akzeptiert, daß ausschließlich ein Waffenstillstand ausgehandelt werden soll. Der Friedensplan von Guatemala sieht vor, daß der politische Dialog mit der unbewaffneten internen Opposition geführt wird. Es ist eine politische Trickserei, wenn danach die Contra neue Bedingungen gesetzt hat, von denen sie weiß, daß die andere Verhandlungspartei sie nicht akzeptieren kann. Wenn die Sandinisten diese Forderungen akzeptieren würden, würde die Contra immer weitere Forderun gen stellen. Letztlich verlangen sie ja die Macht. Aber ist denn nach dem Votum des US– Kongresses gegen eine Fortsetzung der Contra–Hilfe die Contra nicht verstärkt am Zustandekommen einer Übereinkunft interessiert? Nein, die Contras wissen, daß die Entscheidung im Kongreß mit einer hauchdünnen Mehrheit gefallen ist und daß die Administration sich um eine Fortsetzung der Hilfe bemüht. Die Contra kann warten. Können die Sandinisten denn weitere Konzessionen machen, ohne die Unterstützung bei ihrer Basis in einem gefährlichen Maß zu verlieren? Es ist nicht von Bedeutung, welche Konzessionen sie noch machen könnten. Sie haben ja viele Konzessionen gemacht: Aufhebung des Ausnahmezustandes, Freilassung von Gefangenen. Das hat die Gegenseite zu nichts bewegt. Die Pressezensur wurde abgeschafft. Keine Wirkung. Es geht nicht um Konzessionen, sondern um Propaganda. Die von den USA unterstützte Seite benutzt die Verhandlungen als politische Waffe, um der Regierung Nicaraguas die Schuld am Scheitern zuzuschieben. Also zeichnet sich bei den Verhandlungen keine Kompromißlinie ab? Nein, und das wissen beide Seiten. Alles wird hinausgezögert. Heißt das, daß der Konflikt eben doch militärisch gelöst wird? Nein, das sage ich nicht. Ich sage nur, der Konflikt wird noch lange andauern, sowohl der Krieg wie auch die Verhandlungen werden noch lange weitergehen. Kurzfristig wird es keine Lösung geben. Wie sehen Sie die Rolle von Kardinal Obando y Bravo? Der Kardinal ist zum Sprecher der internen wie auch der externen Opposition geworden. Er hat sich mit der Position der Contra identifiziert. Bei der letzten Zusammenkunft hat er von der Regierung Nicaraguas gefordert, die Verhandlungen inhaltlich auszuweiten. Er hat die Tagesordnung einfach geändert. So hat er den US–Vorschlag eingebracht, den Dialog mit der internen Opposition in die Verhandlungen einzuschließen. Er ist zum eigentlichen Führer der Contra und der internen Opposition geworden. Das ist wichtig. Denn Obando y Bravo ist heute der einzige, der einen Namen hat und der in der Lage ist, die gesamte Opposition unter einen Hut zu bringen. War die ursprüngliche Entscheidung der Sandinisten, den Kardinal zum Vermittler zu küren, also falsch? Nein, das war schon eine richtige Entscheidung. Sie wußten ja, daß der Vermittler kein Vermittler, sondern ein Politiker war, der möglicherweise von US–Spezialisten beraten wird. Also mußten sie ihn als Politiker behandeln. Das war das Risiko, das sie eingegangen sind. Vielleicht haben sie ihn zum Vermittler ernannt, um ihn ein bißchen zu neutralisieren. Aber sie kannten das Risiko, und es ist ja auf jeden Fall besser, den Stier bei den Hörnern zu packen. Interview: Thomas Schmid