„Offline“ fesselt Weimar

■ West–Berliner missionieren modemäßig in der Diaspora der Sinne / Modenschau in Weimar / Lacher für Lack und Latex

Aus Weimar Gabriele Riedle

„Das werde ich meinen Mitmenschen in der DDR anbieten!“ Der nicht mehr ganz so junge Pionier aus West–Berlin sprachs und tats: Nachdem der Konzert–Doppelagent Peter Schimmelpfennig den Westen schon seit Jahren durch die Schalmeientöne der Pudhys, Karat und City beglückt hatte und schon auch mal den einen oder anderen Musiker rüber geschickt hatte, brachte er nun dem Osten nichts weniger als Mode, und zwar - entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung des zu missionierenden Landes - in ihrer fortschrittlichsten Gestalt. Das „Modetheater“ mit Avantgardemode westeuropäischer Modekünstler der kleinen West– Berliner Firma „Offline“, die ihre ultraschrill bis neokonservativen Kreationen daheim nur als Zuckerstück bei Messen darreicht, bedurfte allerdings der offiziellen Einladung seitens der DDR und einiger Sponsoren in der BRD. Doch weder Geld– noch Gastgeber ließen sich zunächst finden. Die 40.000 Westmark Kosten für die Modenschau mußte die Offline schließlich erstmal quasi als Not– Opfer aus Berlin für diesen guten Zweck investieren, nachdem weder der Berliner Kultursenator noch das Bonner Wirtschaftsministerium den Modeaustausch finanziell fördern mochten. Was die Suche nach den Gastgebern betrifft, so wurde die Offline aber schließlich doch noch fündig. In der Person des künstlerischen Leiters der Weimarhalle in der Geothestadt fanden die Offline– Manager endlich in der Provinz des Ostens westliche Kardinaltugenden: „Der war, wie wir uns das vorgestellt hatten - dynamisch und jung.“ Außerdem hatte er als Gastgeber in seiner Halle immerhin auch schon Kosta Kordalis, Hermann van Veen, Katja Ebstein oder sogar Uriah Heep verkraftet. Tätige Mithilfe kam dann auch noch von den Ehefrauen der „City–Musiker“, die Friseure und Visagisten organisierten, nachdem das DDR–Modeinstitut keine zur Verfügung stellen wollte. Trotz all dieser Widrigkeiten konnte dann die Premiere im freilich bisher einseitigen deutsch– deutschen Modedialog schließlich doch noch stattfinden, und zwar gleich an drei Abenden, denn die beiden Vorstellungen am Sonntag und die dritte am Montag waren bereits Wochen vorher restlos ausverkauft. Und dies, obwohl der Eintrittspreis bei 30 Mark lag - viermal so hoch wie bei Bob Dylan. Und wer bei einem Blick ins vorwiegend weibliche Publikum zunächst die These bestätigt sehen mochte, der Sozialismus sei eine Katastrophe für die Geschmacksbildung, der wurde auf der Bühne eines Besseren belehrt. Sowohl der Choreograph als auch sämtliche Mannequins und Dressmen der Schau mit Neuem Wilden Bühnenbild, Trockeneis, Musik zwischen Bach und Brian Eno, pantomimischen Einlagen und tänzerischen Astralkörpern kommen aus Polen. Die abgefahreneren Kreationen trug das DDR– Publikum allerdings mit Fassung und eher distanziert, nur die Herren in Lack und Latex, Straps und Silberslip ernteten heftige Lacher. Bei den mehr klassischen Darbietungen wurde allerdings schriftlich oder mental alles genauestens notiert. So werden sich denn 3.000 Zuschauerinnen alsbald an ihre Nähmaschinen setzen müssen, denn zu kaufen gibt es diese Mode natürlich in der DDR sobald nicht. Aus diesem Grunde wurde die anscheinend unverfängliche Modenschau dann schließlich doch noch zum Politikum, so daß auch von einer ganzen Flut von Akkreditierungsanträgen westlicher Journalisten nur eine Handvoll genehmigt wurde, und die mit der Auflage, nicht zu fotografieren, keine Interviews und keine Publikumsumfrage zu machen. Selbst die DDR– Medien blieben offenbar weitgehend uninformiert, denn auch in den Zeiten von Perestroika will man es mit dieser Art von Modernisierung noch nicht so ganz ernst nehmen.