Auch eine Asylantin ist eine Person

■ Erstmals gemeinsame Aktion der weiblichen Abgeordneten im Bundestag - aus allen Parteien / Parteifrauen fordern eigenes Aufenthaltsrecht für Asylbewerberinnen / Große Anfrage zu „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ am Internationalen Frauentag

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die weiblichen Abgeordneten aller vier Bundestagsfraktionen haben sich gestern erstmals gemeinsam mit einem frauenpolitischen Anliegen zu Wort gemeldet: Pünktlich zum Internationalen Frauentag stellten sie eine große Anfrage an die Bundesregierung zum Thema „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ vor, die von fast allen 75 weiblichen Bun destagsmitgliedern unterzeichnet wurde. Während das Kabinett zur selben Stunde über Verschärfungen des Asylverfahrensrechts beriet, forderten die Parlamentarierinnen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Asylbewerberinnen in der BRD. Die Anfrage an die Regierung, die nach Schilderung der FDP– Abgeordneten Hamm–Brücher in einem langwierigen Einigungsprozeß zustande kam, soll „der Unterstützung der von Menschenrechtsverletzungen besonders betroffenen Frauen in aller Welt dienen“. Frauen würden als Geisel in Haft genommen und gefoltert, um Geständisse ihrer Männer und Familien zu erpressen, mit sexueller Gewalt werde ihre Persönlichkeit und Menschenwürde als Frau zer stört. Im Einzelnen wollen die Parlamentarierinnen wissen, ob sich die Bundesregierung für die Aufnahme frauenspezifischer Kriterien in die bestehenden Menschenrechts– und Flüchtlingskonventionen einsetzen will, wie die Situation asylsuchender Frauen in der Bundesrepublik verbessert werden kann und was die Regierung gegen den Menschenhandel mit ausländischen Frauen und Mädchen unternehmen will. „Im Grundsatz“, so die CSU– Abgeordnete Ursula Männle, sind sich die Parlamentarierinnen über die Forderung einig, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für die Ehepartnerinnen von Asylberechtigten und ihre Kinder juristisch zu verankern. Die Präsidentin von amnesty international, Brigitte, Erler, forderte vor der Presse, dazu möglichst schnell einen Gesetzentwurf einzubringen. Fortsetzung auf Seite 2 Zur Begründung sagte sie, es werde immer schneller und drastischer abgeschoben. Frauen und Kinder, die bisher nur ein vom Status des Mannes abgeleitetes Aufenthaltsrecht haben, bekommen bei Beendigung der Ehe erhebliche Probleme. Nach Angaben von amnesty wird dann in der Regel nur die Abschiebung ausgesetzt, und die Frauen haben keinen rechtlichen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Ergänzend fordert amnesty, im Asylverfahren frauenspezifische Fluchtgründe anzuerkennen. Ob die Parlamentarierinnen in den Regie rungsparteien nach dieser gemeinsamen Frauen–Aktion wirklich Druck auf ihre männlichen Kollegen machen, die Situation der Asylbewerberinnen zu verbessern, bleibt abzuwarten. Eilfertig verwahrte sich gestern die CSU–Abgeordnete Ursula Männle gegen die Annahme, alle Frauen seien nun gegen Verschärfungen des Asylrechts. Für die Grünen stellte Christa Nickels in Frage, ob das Los weiblicher Flüchtlinge in der Bundesrepublik überhaupt verbessert werden kann, wenn gleichzeitig die Sammellager bestehen bleiben: „Da geht es dann ans Eingemachte.“ Als „exemplarischen Fall“, der zeige, daß Asylbewerberinnen auch dann ein Aufenthaltsrecht bekommen müssen, wenn sie aus frauenspezifischen Gründen verfolgt werden, nannte die Berliner Frauenbeauftragte Carola von Braun (FDP) unlängst die Abschiebung der Pakistanerin Khadija Balium. Khadija hatte in Berlin um Asyl gebeten, weil sie in Pakistan von ihrem Mann und ihrer Familien als „Ehebrecherin“ verstoßen worden war. Solchen Frauen droht im schlimmsten Fall der Tod durch Steinigung. Der Berliner Innensenator Kewenig (CDU) entschied sich jedoch für die Abschiebung von Khadija. In seiner Begründung hieß es, daß kein Präzedenzfall geschaffen werden soll, der eine Ausweitung der Anerkennungsgründe auf die geschlechtspezifische Verfogung nach sich ziehen würde. (E.K.)