Eine „Wachanlage“ für Uran

■ Atomausschuß hört Experten zur Praxis des Umflaggens / Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf wird zum Plutonium–Supermarkt / Zahl der Mol–Fässer klettert auf über 5.000 Exemplare

Bonn (taz) - Der im Forschungsministerium für Spaltstoff–Kontrolle zuständige Regierungsdirektor Rolf–Peter Randl bestritt gestern vor dem Bonner Atom– Untersuchungsausschuß, daß innerhalb der Euratom australisches Uran zum Zweck der Hochanreicherung umgeflaggt werde. Diese Behauptung des Spiegel sei nach Angaben von Euratom falsch. Australien akzeptiere aber generell das Umflaggen seines Urans innerhalb der Euratom, nicht jedoch über die Grenzen der Gemeinschaft hinaus. Gleichzeitig räumte Randl ein, daß die Euratom–Staaten nicht nur, wie bekannt, Uran aus Südafrika (will heißen: überwiegend aus Namibia) importieren, sondern auch wieder exportieren. Insgesamt könnte sich daraus folgendes Bild ergeben: Die Euratom fungiert als eine Art „Waschanlage“ hinsichtlich der Sicherungsauflagen von Uran unterschiedlicher nationaler Herkunft; das mit hohen Auflagen behaftete australische Uran wird importiert, auf südafrikanisch umgeflaggt und wird dadurch ein begehrter, weil quasi frei verwendbarer (Export–) Spaltstoff. Ebenso wie bereits Ministerialdirigent Loosch aus dem Forschungsministerium gab Randl zu, daß auch die Herkunftsbezeichnungen von Uran–Mengen unterschiedlichen Anreicherungsgrads ausgetauscht werden. Das unterschiedliche Material wird dann miteinander „verrechnet“. Bereits am Vortag hatte der Wissenschaftler Harald Müller von der Hessischen Stiftung für Friedens– und Konflikt–Forschung den Untersuchungsausschuß darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der Plutoniumentwendung aus einer Wiederaufarbeitungsanlage mit dem derzeitigen Kontroll–System nicht verhindert werden könne. Der Umgang mit so großen Mengen Plutonium und den vielen daran beteiligten Personen und Stationen erhöhe allein schon die statistische Wahrscheinlichkeit einer Abzweigung. Ebenso wie Müller forderte der Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Karl Kaiser, eine restriktive Nuklearexport– Politik: Die BRD solle Anlagen und Material nur noch an jene Länder liefern, die sich mit der internationalen Kontrolle ihrer sämtlichen Atomanlagen einverstanden erklären. Gegen diese sogenannten „full scope safeguards“ als Voraussetzung für ein Atom– Geschäft hat sich die Bundesregierung bisher auf internationalem Parkett gewehrt. Kaiser forderte sogar, die Bundesregierung solle Entwicklungshilfe nur an Länder vergeben, die sich den Kontrollen unterwerfen, also zum Beispiel nicht an Pakistan. Als „Problemfälle“ für die Weiterverbreitung des Atomwaffen–Potentials sieht der außenpolitische Vordenker dabei offensichtlich nur die Staaten der Dritten Welt: „Die Bundesrepublik ist kein Problemfall.“ Charlotte Wiedemann Mehr als 5.000 Fässer Im Zusammenhang mit dem Atommüllskandal hat es nach Erkenntnissen der deutsch–belgischen Expertengruppe keinen Handel mit hochgiftigem Plutonium im großen Stil gegeben. Das Papier der Expertengruppe nennt außerdem 5.336 Atommüllfässer, die von Mol in die BRD zurückgeschickt worden seien. Deutsche und Belgier sind jedoch übereingekommen, die widerrechtlich auf dem Territorium des anderen Staates lagernden Abfälle nicht wieder auszutauschen. Die schwach radioaktiven Abfälle sollten vielmehr gegeneinander aufgerechnet und Rücktransporte vermieden werden. Der Bericht der Expertengruppe macht allerdings darauf aufmerksam, daß ein Teil der in Mol lagernden Abfälle dort nicht konditioniert werden können. Diese Abfälle bildeten eine Gefahr und müßten in die Bundesrepublik zurückgebracht werden. Sie sind so zusammengesetzt, daß sie nicht nach Mol hätten geliefert werden dürfen.