I N T E R V I E W „Das Imperium schlägt zurück“

■ Die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek zu taz, Pornographie und ihrer eigenen „Anti–Pornographie“

taz: Innerhalb der taz ist immer noch unklar und umstritten, ob es sich bei der inkriminierten Seite tatsächlich um Pornographie handelt oder nicht. Elfriede Jelinek: Ob Pornographie oder nicht, da können wir uns ja stundenlang streiten. Auf jeden Fall ist sie idiotisch, empörend und sexistisch auf eine Weise, die man in der taz einfach nicht durchgehen lassen kann. Ich grenze die Pornographie ein auf gewalttätige Darstellungen, die die Frauen auf solch eine Weise zeigen, daß sie selbst dazu auffordern, herabgewürdigt zu werden. Das Bild mit der Banane ist aber nicht einmal pornographisch, sondern nur abstoßend. Mit der Diskussion über die Seite würde man ihr zuviel Ehre antun. Ich kann mir nur erklären, daß das Imperium jetzt zurückschlägt. Auch in der trivialen Kultur sehe ich eine ganz heftige und unüberlegte Reaktion des Patriarchats, zum Beispiel mit Filmen wie „Eine verhängnisvolle Leidenschaft“. Eine Reaktion total verunsicherter und aggresiver Männer auf die Frauenbewegung, die sie anders nicht totkriegen können. Kann es so etwas wie eine „linke“ Pornographie, die nicht frauenverachtend ist, geben? Ich bin selbst immer wieder beschuldigt worden, pornographische Sachen zu schreiben. Ich würde aber sagen, daß ich Anti–Pornographie schreibe. Es ist selbstverständlich so, daß sich Frauen die Darstellung des Obszönen und des Nackten zurückerobern müssen. Ich versuche das, merke aber in meiner eigenen Arbeit, daß die Darstellung des Obszönen von Männern so ursurpiert ist, daß Frauen dafür keinen Ort haben und scheitern müssen. Natürlich muß es Pornographie von Frauen geben, aber ich glaube nicht, daß sie frauenverachtend wäre. Der männliche Blick auf die Frau dagegen ist immer verachtend. Pornographie ist nicht die Darstellung einer Handlung, sondern der Erniedrigung. Es gibt also Kriterien für das, was pornographisch oder sexistisch ist? Solche Kriterien muß man sich erst erarbeiten, ich weiß nicht, ob es sie jetzt schon gibt. Die Intention der Darstellung ist für mich das Entscheidende. Die Frage ist, ob die Erniedrigung der Frau, ihre Verfügbarkeit als Hure, beabsichtigt ist oder gerade eben kritisiert wird. Da gibt es haarfeine Unterschiede. Wenn man diese Definition gelten ließe, dann müßte man aber vielleicht De Sade verbieten. Oder sogar bei Rubens wäre unklar, ob seine nackten Frauen als Aufforderungen dargestellt sind oder als rein künstlerischer Ausdruck. Sie würden also die Kunst nicht aus der Diskussion ausschließen? Eine pornographische Darstellung ist immer auch eine geschichtslose Darstellung. Deshalb versuche ich zum Beispiel die Geschichte der Herabwürdigung der Frauen wieder zu schreiben. Meine Arbeit nenne ich anti–pornographisch, weil ich einen Bewußtmachungsprozeß erzielen und nicht nur einfach aufgeilen möchte, obwohl mir das auch schon vorgeworfen worden ist. Es geht darum, Sexualiät als etwas Politisches und nicht als etwas Unschuldiges zu begreifen, das einfach da ist. Sie haben ihre Erzählung „Luft“ (oder „Begierde“), die nun wirklich nicht pornographisch ist, mit „eine Pornographie“ unterschrieben. Das war natürlich Ironie. In dem, was ich schreibe, gibt es immer wieder drastische Stellen, aber die sind politisch. Sie haben nicht die Unschuldigkeit des Daseins und den Zweck des Aufgeilens. Sie sollen den Dingen, der Sexualität, ihre Geschichte wiedergeben, sie nicht in ihrer scheinbaren Unschuld lassen, sondern die Schuldigen benennen. Die nennen, die sich Sexualität aneignen und das Herr/Knecht–Verhältnis zwischen Männern und Frauen produzieren. Im Patriarchat ist es auch heute noch so, daß nicht Männer und Frauen gleichermaßen genießen, wie sie genießen wollen. Ich will dieses Machtverhältnis aufdecken. Die Geschichtlichkeit wäre also das umstrittene Kriterium, ob etwas pornographisch ist oder nicht. Das Obszöne ist dann gerechtfertigt, wenn man den Beziehungen zwischen Männern und Frauen die Unschuld nimmt und die Machtverhältnisse erklärt. In einem theoretischen Text ist das sehr viel einfacher als in einem künstlerischen. Man merkt oft in der Darstellung, daß es einem nicht mehr gelingt, seine Figuren zu bewegen. Der Text wird immer statischer und erklärender, weil es offenbar für Frauen nicht vorgesehen ist, einfach die Pornographien zu beschreiben, wie das die Männer immer gekonnt haben. Nicht umsonst gibt es kaum literarisch interessante weibliche Pornographie. Erika Jong oder Anais Nin sind ja literarisch uninteressant. Die einzige ist eigentlich Pauline Reage, die Autorin von „Histoire dO“. Und zwar nur deshalb, weil sie den weiblichen Masochismus vollkommen annimmt und ins Extrem weiterschreibt. Das stimmt ästhetisch und erhellt gleichzeitig die Machtverhältnisse. Ich versuche eben, noch einen Schritt weiter zu gehen und diese Macht politisch zu erklären. Ich bin mir bei all diesem aber immer noch sehr unsicher, obwohl ich mich selbst seit Jahren damit beschäftige. Interview: Gabriele Riedle