Weiter so: „Tilt“ für NUKEM

■ Die Hanauer Atommutter legt sich selbst still / Anteile der Skandalfirma NUKEM an RBU und ALKEM sollen verkauft werden / NUKEM (neu) will 1989 starten

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Hanau (taz) - Als „entscheidenden Schritt zur Entflechtung der Hanauer Brennelementefabriken“ hat der hessische Umweltminister Karl–Heinz Weimar (CDU) die gestern von der Hanauer Atommutter NUKEM angekündigte endgültige Stillegung ihrer Anlage NUKEM (alt) bezeichnet. Bis zum Ende des Jahres soll die Atomanlage „leergefahren“ werden, so daß sich zum Jahreswechsel 1988/89 kein spaltbares Material mehr auf dem Betriebsgelände der Skandalfirma befinden wird. Die Atomfabrik selbst hatte dem Minister am Vormittag per Boten einen Brief überbringen lassen, in dem der neue NUKEM–Geschäftsführer Liebmann der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde schlicht mitteilte, daß das Unternehmen die Absicht fallengelassen habe, den Betrieb der NUKEM (alt) bis zur Fertigstellung der Anlage NUKEM (neu) fortzuführen. Darüberhinaus erklärte Liebmann, daß die Anteile der NUKEM an der Plutoniumfabrik ALKEM und der Brennelementefabrik RBU verkauft würden. Für die Unternehmensleitung habe jetzt die Realisierung von NUKEM (neu) „volle Priorität“, wobei zugleich neue Besitzverhältnisse angestrebt würden und zwar „im Sinne einer maßgeblichen Beteiligung der Hersteller und Betreiber von Hochtemperaturreaktoren“. Der Umweltminister dankte Liebmann ausdrücklich dafür, daß dieser „energisch und hart“ an einem neuen Konzept für die NUKEM gearbeitet habe. Liebmann sei jetzt auch der „Garant“ dafür, daß die Stillegung von NUKEM (alt) ordnungsgemäß abgewickelt werde. Für NUKEM (neu) hatte Umweltminister Weimar vor Monatsfrist eine erste Teilerrichtungsgenehmigung erlassen. Wie Weimar einer Pressekonferenz mitteilte, werde an der zweiten „mit Hochdruck“ gearbeitet. Fortsetzung auf Seite 2 Engpässe in der Versorgung der bundesdeutschen Hochtemperaturreaktoren mit Brennelementen sollen - bis zur Produktionsaufnahme von NUKEM (neu), mit der frühestens in einem Jahr zu rechnen ist, - durch entsprechende Importe überbrückt werden. Für die Grünen im hessischen Landtag ist die Selbststillegung der NUKEM die „endgültige Bestätigung“ dafür, daß die Firma „illegal und mit kriminellen Machenschaften“ ihre atomaren Geschäfte betrieben habe. Die Landtagsfraktion erklärte in Wiesbaden, daß es sich bei der Selbststillegung um einen „deal“ zwischen NUKEM und dem Ministerium gehandelt habe, denn Weimar wäre in den nächsten Wochen um eine Stillegungsverfügung nicht herumgekommen. „Das hätte entsprechende Konsequenzen für die andern Hanauer Betriebe nach sich gezogen.“ Mit der Ankündigung der Forcierung des Baus von NUKEM (neu), so die Grünen abschließend, werde jetzt der verzweifelte Versuch gestartet, ein Schiff neu zu beladen, das längst „von den Ratten verlassen“ worden sei. Von der Hanauer BI–Umweltschutz (IUH) wurde die Selbststillegung der NUKEM auf einer Pressekonferenz „auf das Schärfste“ begrüßt. Laut BI–Sprecher Elmar Diez seien jetzt die anderen Hanauer Firmen gefordert, dem „ehrenwerten Beispiel“ der NU KEN zu folgen und sich umgehend selbst stillzulegen.