taz–Frauen–Streik beendet

■ Die Forderungen der Frauen wurden angenommen / Aber die Gräben bleiben

Freitag morgen entschied das Projekt, auf die Forderungen einzugehen. Nach einer Stunde wurde zur Tagesproduktion übergegangen. Die beiden verantwortlichen Redakteure Helmut Höge und Wiglaf Droste sind zunächst für eine Woche vom Dienst suspendiert. (Stimmenanteil: 28:18) Darüber hinaus wird Wiglaf Droste die Verantwortung für die Medienseite bis auf weiteres entzogen. (Stimmenanteil: 27:16:9) Sollten in Zukunft RedakteurInnen wiederholt sexistische Beiträge produzieren, werden sie abgemahnt, in letzter Konsequenz wird ihnen gekündigt. (Stimmenanteil: 35:6:12) Mit überwältigender Mehrheit (43:0:5 )wurde die Einrichtung einer Sexismus–Arbeitsgruppe beschlossen. Diese Arbeitsgruppe soll mit Frauen und Männern paritätisch besetzt werden. Außerdem wurde eine Sexismus–Struktur–Debatte auf den nächsten Mittwoch angesetzt. Die Freude über diesen „Sieg“ ist sehr gemischt. Wir sind müde und geschafft. Traurig über die Gräben, die jetzt deutlich sind, die so leicht vom Alltag wieder zugeschüttet werden, ohne den täglichen Sexismus abgeschafft zu haben. Die Ergebnisse dieser zwei Tage sind nicht handfest. Auch wenn es so scheint. Die Beschlüsse sind da, doch erst jetzt sind die Männer wirklich gefordert. Werden nun endlich Vergewaltigung, Abtreibung, Pornographie und der Spaß, eine Frau heimlich zu quälen, Themen dieser elitären Männerrunde? Wir werden es sehen. Unsere LeserInnen scheinen mehr kapiert zu haben. Sieben Flaschen Sekt und Blumen brachte einer vorbei. Blumen haben wir noch mehr gekriegt. Anrufe und Briefe. Viele freuen sich und unterstützen uns. Die Hälfte davon sind Männer. Andere kündigen empört ihr Abo. Wenn ab sofort die Männer darüber wachen, daß die Beschlüsse eingehalten werden, hätte das eine ebenso neue Qualität in der Auseinandersetzung mit Frauen, wie die neue Art des Sexismus, gegen die sich unser Zorn richtete. Diese auf den ersten Blick so harmlose Seite ist ein besonders gutes Beispiel für verharmlosenden Sexismus. So unangreifbar, wie sich diese Seite zu geben scheint, so angreifbar sind ihre beabsichtigten Effekte: Ein bißchen Porno, ein bißchen Sex, ein bißchen Seitenhieb aufs Feministische. Eine sicher unbeabsichtigte aber haargenaue Mischung, um eine Stimmung auszudrücken, die feministische Positionen und Arbeit lächerlich zu machen versucht. Man hat sich an das scheinbar Harmlose gewöhnt, und merkt nicht, daß es viel „pornografischer“ ist als das, was vor 20 Jahren als öbszön galt. Nicht das Obszöne gilt es zu bekämpfen, sondern diese Art der Neuen Harmlosigkeit, die, da sie mit Sex verkauft wird, eben auch „Pornografie“ ist. Die Frage ist, ob sich daran nach dem Streik etwas ändert, ob die Männer in der Zeitung merken, wie sehr sie immer noch unsere Arbeit unterlaufen, wie sehr sie uns bekämpfen und bestrafen. Diese Sensibilität ist fast unmöglich zu fordern, weil sie einen offenen Streit ja längst vermeiden oder für unwichtig halten. Der Streik hat Ärger freigesetzt, Ärger auf beiden Seiten. Wir müssen zusammen arbeiten, und natürlich gibt es „unspezifische“ Sympathien und Antipathien. Der Hang zum Männerbündischen müßte ebenso Thema werden wie das müde Desinteresse an allem „Frauenpolitischen“. Sollten die Männer der taz in diese Richtung streben, wir würden uns keinem in den Weg stellen. Maria Neef–Uthoff Siehe auch die Seiten 3, 4 und 8