P O R T R A I T Auf dem Sprung aus der zweiten Reihe

■ Biggi Bender, Spitzenkandidatin der Grünen in Stuttgart bei den Landtagswahlen in Baden–Württemberg, hat keinen leichten Stand im Ländle / Statt pressewirksamer Skandale prägt autonome Frauenpolitik ihren Werdegang

Zu ihrem ersten öffentlichen Auftritt brachte sie einen Besen mit, um damit den „patriarchalen Müll“ wegzufegen. Seit 1984 steht die 31jährige Biggi Bender bei der Landtagsfraktion der baden–württembergischen Grünen in Diensten - zunächst als juristische Beraterin, bald darauf als Frauenreferentin. Nun will sie „raus aus der zweiten Reihe“ und hinein in das „entsprechende Ämtle“, von dem sie sich für ihre Arbeit mehr Wirkung verspricht. Mit einem „DDR–Ergebnis“ (101 von 110 Stimmen) wurde sie in einem der sichersten Wahlkreise (Stuttgart 1) als Kandidatin aufgestellt. Und das nicht „nur“ aus „frauenpolitischen“ Gründen. Die ruhige Juristin gilt bei vielen GenossInnen als besonnen und politisch kompetent, als eine, „die nicht gleich so hochdreht“. Fundi oder Reala? Biggi Bender ordnet sich keinem Flügel zu, weil die zuviel von „Vereinen zur Pflege von Gefolgschaftstreue“ an sich haben. Am nächsten fühlt sie sich den Feministinnen in der Partei und hält sich ansonsten ihr Votum offen. Als Fraktionssprecher Fritz Kuhn vergangenes Jahr öffentlich einen Vorstoß in Richtung „wechselnde Mehrheiten“, sprich Tolerierungspolitik gegenüber der CDU machte, stand unter diesem Papier auch ihre Unterschrift. Denn es sei schließlich die „Konsequenz parlamentarischer Arbeit“, sich eine „Machtoption“ offenzuhalten. „Völlig daneben“ findet sie hingegen das ökolibertäre „Manifest“, das jüngst von Landtagskandidat Winfried Kretschmann vorgestellt wurde (siehe taz vom 27.2.). „Es ist unverschämt, wie darin grüne Prinzipien einfach über Bord geworfen werden.“ Unnachgiebig erwies sich die Feministin bei der Diskussion um die „harte Quotierung“. Im Frühjahr 1986 verabschiedeten die Baden– WürttembergerInnen als einer der ersten Landesverbände ein „Frauenstatut“, das die paritätische Besetzung aller Gremien und Mandate festschrieb. Erfüllt ist dieser Grundsatz längst nicht in allen Bereichen. Aber zumindest hat sich die Partei bemüht, das beschämende Ergebnis der vergangenen Landtagswahlen nicht zu wiederholen: In der neunköpfigen Fraktion sitzt nur eine Frau. Dieses Jahr nun wurden die aussichtsreichen Wahlkreise so besetzt, daß bei einer - erwarteten - Wiederholung des Ergebnisses von 1983 vier Frauen in den Landtag einziehen. „Knallhart“ ist Biggi Bender auch in Sachen §218: ersatzlose Streichung. Diese Forderung rief zwar bei den Ba–Wü–Grünen heftige Diskussionen hervor, steht so nun aber im Wahlprogramm. Und das grüne „Müttermanifest“ ist ihr genauso ein Dorn im Auge wie die reaktionäre Familienpolitik der Landesregierung. Der Marsch durch Partei und Parlament war in Biggi Benders Biographie bisher nicht vorgezeichnet. Während ihres Studiums in Freiburg arbeitete sie in einer „Dritte–Welt“–Solidaritätsgruppe, später, während ihres Referendariats, lebte sie in der Frauenetage eines besetzten Hauses und engagierte sich in einem Lesbenprojekt. Doch den Abschied von der autonomen Politik hat sie nicht bereut. Die Frauenbewegung hätte über die Städte nie hinausgereicht und sei heute sowieso halbtot. Die Grünen hingegen trügen frauenpolitische Fragen bis in den letzten Winkel des Landes. Von der Presse wird die Spitzenkandidatin bereits als mögliche Fraktionssprecherin gehandelt. Doch hat es die „Preußin“ aus Düsseldorf gegenüber einheimischen KandidatInnen beim Wahlvolk ungleich schwerer. Zu ihrer Popularität fehlt ihr nicht nur Verankerung innerhalb der lokalen politischen „Szene“, sondern auch pressewirksame Skandale. Außerdem hat ihr die SPD den bekannten Stuttgarter Altlinken Suso Lederle als Gegenkandidat vor die Nase gesetzt. Ulrike Helwerth