Freigabe zur Vergewaltigung?

■ Verteidiger von zwei wegen Vergewaltigung angeklagten Männern plädierten auf „minderschweren“ Fall / Täter könnten sich bei der HIV–positiven Frau angesteckt haben / Aids–Hilfe: menschenverachtende Argumentation

Berlin (taz) - Zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung wurden am Montag in Berlin zwei Männer verurteilt, die im Mai 1987 eine 23jährige Frau vergewaltigt und sexuell genötigt hatten. Obwohl die Taten gemeinschaftlich begangen wurden, erkannte das Gericht auf einen minder schweren Fall. Die Frau - sie war beim Trampen mitgenommen worden - habe nicht entschieden genug gegen den Fahrrichtungswechsel protestiert, befand Richter Fitzner. Noch hahnebüchener war die Begründung, mit der die Verteidiger in ihren Plädoyers auf einen minder schweren Fall abgehoben hatten! Die Angeklagten seien schon bestraft, weil sie sich bei der Frau, die HIV positiv ist, angesteckt haben könnten. Damit hätten sie sich schon „sehr viel angetan“. Die Frau, die am 28.Mai gegen 19Uhr an der Berliner Kleiststraße zu den zwei Angeklagten - beide sind Sinti - ins Auto gestiegen war, hatte früher ausgesagt, die Männer hätten den „Umweg“ damit begründet, sie müßten noch etwas besorgen. Auf einem Wohnwagenstellplatz angelangt sei sie der Aufforderung, ihnen in einen der Wohnwagen zu folgen, nachgekommen, weil ihr auf dem menschenleeren Platz nicht ganz geheuer gewesen sei. In Gegenwart von zwei weiteren Männern habe sie der 41jährige Angeklagte mit 40DM zum Geschlechtsverkehr zu überreden versucht. Sie habe sich geweigert, sei aber vom 21jährigen Angeklagten festge halten und von einem der Unbekannten ausgezogen worden. Anschließend seien die vier Männer über sie hergefallen. Die Angeklagten, die die Tat beim ersten Termin bestritten, gaben sie gestern zu. Den Umstand, daß die Zeugin früher einmal anschaffen gegangen und eigenen Angaben zufolge achtmal vergewaltigt worden war, wendeten die Verteidiger gegen die Frau. Ihre „Körpersprache“ und ihr „freiwilliges“ Mitkommen sei von den Angeklagten „mißgedeutet“ worden. Sie seien „Mitglieder einer Randgruppe“ und hätten die Situation aufgrund ihres Frauenbildes falsch eingeschätzt. Das Gericht ging in seinem Urteil auf die HIV–Infektion der Frau nicht ein. Die Deutsche Aids– Hilfe protestierte in einer Stellungnahme gegen die „ungeheuerliche“ Argumentation der Verteidigung. Wegen der HIV–Infektion von einem „minder schweren“ Fall zu sprechen, sei „Menschenverachtung im höchsten Grad“. Damit würden HIV–Positive zu „Freiwild unserer Gesellschaft“ gemacht. Plutonia Plarre K O M M E N T A R E