Laßt die Akten brennen!

■ Bevor Zyperns neuer Präsident die Geheimdienstakten vernichten lassen konnte, hatte sie der Geheimdienst beiseite geschafft

Aus Nikosia Klaus Hillenbrand

Zyperns frisch gewählter Präsident Vassiliou hat sich seine Arbeit wohl etwas anders vorgestellt. Statt des Studiums von Akten darf er sich auf die Suche nach denselben machen. Die Sicherheit des Landes sollte bei ihm höchste Priorität haben. Jetzt ist der Staatschef selbst als Sicherheitsrisiko entlarvt. Der zypriotische Geheimdienst Kyp hat nämlich die eigenen Akten geklaut. Ursache des rapiden Schwunds geheimer Dossiers ist die Ankündigung des neuen Präsidenten, die gesammelten Informationen des Geheimdienstes nicht länger den Hütern der Staatssicherheit zu überlassen. Sämtliche Aufzeichnungen über angeblich staatsgefährdende Umtriebe von Zyprioten aus den letzten zehn Jahren sollten nach seinem Willen vielmehr in Rauch aufgehen - auf einem öffentlichen Scheiterhaufen. Doch da hatte Vassiliou nicht mit der Findigkeit seiner Geheimdienstler gerechnet. Zuerst wurde bekannt, daß Amtsvorgänger Kyprianou stapelweise Akten aus dem Präsidentenpalast hatte mit gehen lassen. Jetzt hat der Geheimdienst selbst seine Geheimnisse an einem unbekannten Ort versteckt, ums sie vor den Streichhölzern des Präsidenten zu schützen. Als dann noch der neue Innenminister Veniamin erklärte, es gebe überhaupt keine Akten, war das Maß voll. Denn Veniamin, der bis 1985 schon einmal als Innenminister amtierte, gilt als Verantwortlicher für die ungebremste Sammelwut von Kyp, in dessen Akten gar verzeichnet sein soll, wer wann welche Tageszeitung liest. Nach einem Aufschrei in der Presse erklärte Veniamin nun, er sei mißverstanden worden. Zwar gebe es Akten, aber - wie beruhigend - nicht über jeden einzelnen Einwohner des Staates. Vorsorglich hat Präsident Vassiliou dem Innenmister die Kontrolle über den Geheimdienst von Beginn an entzogen. Nächste Woche, so verspricht Regierungssprecher Fantis, würden die ersten 1.000 Dossiers dem Feuer übergeben. Bei diesen Akten soll es sich freilich nur um wertloses und veraltetes Material handeln. Die heißen Informationen über Kommunisten, Sozialisten, unabhängige Linke und weitere Vaterlandsverräter wurden rechtzeitig in Siherheit gebracht. Vassiliou, selbst mit Hilfe von Kommunisten und Sozialisten gewählt, kann statt Präsident weiter Blinde Kuh spielen.