Zerstrittene französische Rechte suchen den Schulterschluß

■ Frankreichs Rechtsparteien kämpfen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vor allem gegeneinander / Gaullisten und Republikaner wollen „große konservative Partei“ bilden

Aus Paris Georg Blume

Die französische Rechte hatte sich zu früh gefreut, als sie mit dem Siegeszug des Liberalismus im Frankreich der achtziger Jahre leichte Wahlerfolge gegen die Linke voraussah. Im französischen Präsidentschaftswahlkampf erwartet man kaum mehr programmatische Aussagen. Umso gnadenloser stehen die taktischen Kalküle von Politikern und Parteien im Rampenlicht der öffentlichen Kritik. Hier haben es die Sozialisten leicht. Sie stehen geschlossen hinter ihrer Partei und Mitterrand. Die Rechte aber wackelt. Als sei das Gewitter bereits in Sicht, warfen die beiden stärksten Rechtsparteien, die gaullistische RPR von Jacques Chirac und die „Parti republicain“ (PR) von Kulturminister Franois Leotard in dieser Woche den Notanker. Ginge es nach den beiden Politikern, soll fortan die Rede sein von einer „großen konservativen Partei“ (Le Monde), der Einheitspartei der Rechten also. Chirac hat inzwischen seinen Intimus, Wirtschaftsminister Balladur, beauftragt, unmittelbar die entsprechenden Gespräche mit der PR wiederzubeleben. Die PR ist innerhalb der rechts–liberalen Parteienkoalition UDF die mitgliederstärkste Gruppierung. Die Chirac–Leotard–Initiative hat derzeit - so sehr sie langfristig die Kräfteverhältnisse auf der Rechten beeinflussen könnte - nahezu karikaturalen Charakter. Kein Tag vergeht in diesen Wochen, an dem nicht neue Anspielungen oder neue Versprechen von dem unerbittlichen Wahlkampf zeugen, den sich die drei Rechtskandidaten Jacques Chirac, Raymond Barre (UDF) und Jean–Marie Le Pen (Front National) für den ersten Wahlgang am 24.April liefern. Einmal sagt Chirac, daß er die Rassisten verstehe, dann kontert Barre, daß er Politik nicht als Lottospiel betrachte, schließlich fühlt sich Le Pen von seine Konkurrenten „kopiert“. Das geht hin und her, nützen tut es nur Mitterrand, für den der Streit der Gegner Grund genug ist, seine Kandidaturerklärung so lang wie möglich hinauszuzögern. Längst entsteht ein Bild, in dem es den Rechtskandidaten bei der Wahl mehr um die Vorherrschaft im eigene Lager geht denn um den endgültigen Wahlsieg gegen Mitterrand. So ist schließlich auch zu verstehen, warum die Perspektive einer vereinigten Rechten schon heute auftaucht, und nicht erst nach den Wahlen, wenn es dann eigentlich an der Zeit wäre, ungestört politisch zu kungeln. Chirac, der im zweiten Wahlgang gegen Mitterrand noch weniger Chancen als Barre hat, wohl aber eine straff organisierte Partei hinter sich weiß, kann nach einem Sieg gegen Barre im ersten Wahlgang hoffen, als fortan konkurrenzloser Oppositionsführer zu gelten. Auf dieses Szenario setzt auch Leotard, der im Wahlkampf offiziell Barre unterstützt. Leotard, der bereits selbst mit Präsidentschaftsambitionen spielte, will sich im Rennen mit der RPR eine bevorzugte Position sichern. Daß es für ihn kein Problem sein wird, Barre eines Tages fallen zu lassen, ist nicht nur politsch offensichtlich - das weiß inzwischen jeder französische Wähler. Privat, so berichtet Le Monde, sei Leotard der Auffassung, daß die Rechte nichts mehr voneinander trenne: „Der Gaullismus ist assimiliert, die Institutionen sind akzepiert, das Engagement für Europa ist anerkannt und die Dezentraliesierung ist genehmigt“. Leotard zählt nur die alten großen Dispute in der französischen Rechten auf, die nun über die Grenzen von RPR und UDF hinaus auch mit den Sozialisten beigelegt sind. Wahlkampfthemen sind da nicht mehr rauszuholen. Übrig bleibt aus Sicht des Wählers der Blick auf die taktische Manövrierkunst der Politiker. Weshalb eine Wahlschlappe Mitterrands für Frankreich heute kaum noch vorstellbar ist.