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Oskar trommelt weiter

■ Im Saarbrücker Landtag antwortet Oskar Lafontaine auf die Beschlüsse des SPD–Parteivorstands

Als notwendige Geste an die Gewerkschaften bezeichnete der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine gestern in einer Erklärung vor dem Landtag die Entschließung seines Parteivorstands vom Montag. Er werde seine Vorstellungen „knochenhart“ weiter vertreten, weil er keine andere Möglichk

Das hatte Oskar Lafontaine von der Opposition noch selten erfahren. Der Ministerpräsident habe „öffentliche Anerkennung“ für seine Vorschläge zur Arbeitszeitverkürzung verdient, huldigte regelrecht der saarländische FDP– Chef, Horst Rehberger, dem SPD–Vize Oskar Lafontaine. Die Saar–Liberalen waren sichtlich angetan von „Oskar“ und nach dem Beschluß des SPD–Bundesvorstandes sei es „notwendig, daß wenigstens andere ihn loben“. Ein Gerücht war der Debatte im saarlandischen Landtag vorausgeeilt. Der Ministerpräsident wolle zum Thema Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich eine Regierungserklärung abgeben. Doch weil dieser die Angelegenheit nicht mehr ganz so hoch hängen wollte, blieb es bei einem Redebeitrag. Thema: „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“. Das 63seitige Manuskript gereichte allerdings jeder Regierungserklärung zur Ehre. Lafontaine beharrte auf seinem Vorschlag, daß Besserverdienende bei Arbeitszeitverkürzung nicht den vollen Einkommensausgleich erhalten sollen. Für „diese Position werde ich knochenhart kämpfen“, tönte er. Solidarische Lohn– und Gehaltspolitik heiße für ihn vor allem „Solidarität mit den Arbeitslosen“. Da eine mit den Arbeitslosen solidarische Lohn– und Gehaltspolitik niemals ohne die Gewerkschaften erreicht werden könne, sei die SPD zu „Gesten“ und Kompromissen gezwungen. Das Wohlstandsniveau in unserer Gesellschaft erlaube es einer beachtlichen Anzahl von Menschen, auf einen geringen Teil ihres Einkommens zu verzichten, um einen Teil der MitbürgerInnen einen Arbeitsplatz zu verschaffen. Zudem werde dieser Verzicht „wenigstens immateriell durch höhere Freizeit kompensiert“. Selbstverständlich sollten dabei die unteren Einkommensgruppen vom Verzicht auf Lohnausgleich ausgenommen werden. Ab Besoldungsgruppe A 13 (3.500–5.500 DM) könne mit den Verzichtsregelungen im Öffentlichen Dienst begonnen werden. An die ÖTV appellierte Lafontaine, sich einem „Solidarbeitrag zugunsten der Arbeitsplatzsuchenden nicht zu verschließen“. Im Saarland selbst werde man „jeden in der Tarifrunde gewonnenen Finanzspielraum voll beschäftigungswirksam werden lassen“. Die Beamtengesetzgebung soll entsprechend geändert werden. Lafontaine kündigte an, in Kürze eine entsprechende Initiative für den Öffentlichen Dienst im Bundesrat vorzulegen. Nicht nur mit dieser Bemerkung wurde deutlich, daß die von Lafontaine initiierte Diskussion nicht abebben wird. Für ihn ist klar, daß man angesichts der Massenarbeitslosigkeit nicht um die „Umverteilung des gegebenen Beschäftigungsvolumens“ herumkommen kann. Gerade bei der Beschäftigungspolitik müsse man zwischen der Umverteilung der bestehenden Beschäftigung und ihrer Ausweitung unterscheiden. Bei einer Arbeitslosigkeit von 2,5 Mio. Menschen werde „unmittelbar klar, daß eine Vollbeschäftigung rein über eine gewinninduzierte Wachstumspolitik eine Illusion ist“. Dieser seien „nicht nur Grenzen von der Verteilung hier“, sondern auch von der binnenwirtschaftlichen Nachfrage gesetzt. Der SPD–Vize strebt offenbar die Neuauflage der „konzertierten Aktion“ zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaftern an. Er sei „froh“, daß beide Tarifparteien die Möglichkeiten eines „Solidarpaktes ausloten“ wollen. Auch die Bundesregierung müsse sich dabei „konstruktiv zu Wort melden“. Daß die Diskussionen auch im Saarland anhalten werden, machte der SPD–Landtagsabgeordnete und IG Metall–Bevollmächtigte Kurt Hartz deutlich. Er und sein Kollege Albrecht Herold stimmten einem SPD–Antrag, der wörtlich die Beschlußlage des Bundesparteivorstandes wiedergab, nur zu, um „keine Chance zu verbauen, die die Geisel der Massenarbeitslosigkeit beendet“. Der Vorsitzende der IG Metall, Steinkühler, kommentierte die Debatte mit einem Verweis auf den Titel eines früheren Buches von Lafontaine: „Angst vor Freunden“. „Angst vor den Freunden kann man angesichts der Diskussion in der SPD als Gewerkschafter tatsächlich bekommen.“ Felix Kurz

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