Hilflose Bitten an den Henker Botha

■ Proteste aus aller Welt gegen die geplante Hinrichtung der „Sechs von Sharpeville“ / Auch Reagan, Perez de Cuellar und Kohl appellieren an die Regierung Bothas - nur Strauß hat seinen Polit–Freund in Pretoria nicht um Gnade für die Sechs gebeten

Aus Johannesburg Hans Brandt

Die Rassisten–Regierung von Südafrika ist offenbar trotz weltweiter Proteste entschlossen, die zum Tode verurteilten „Sechs von Sharpeville“ hinzurichten. Beobachtern zufolge soll mit dem Justizmord ein Exempel statuiert werden, um in Zukunft weitere Morde an schwarzen Stadträten zu verhindern, die für die Reformpolitik des Botha–Regimes eine wichtige Stellung einnehmen. Den sechs Verurteilten wird der Mord an dem schwarzen Stadtrat von Sharpeville, Jacob Dlamini, im September 1983 vorgeworfen. Rechtsanwälte der „Sharpeville Sechs“ haben am Mittwoch noch einmal vor dem Obersten Gericht in Pretoria einen Dringlichkeitsantrag auf Aussetzung der für Freitag angekündigten Hinrichtung gestellt. Sie legten dazu die eidesstattliche Erklärung eines entlastenden Zeugen der Ermordung des Stadtrates vor. Nach unbestätigten Informationen soll der Hauptbelastungszeuge des Sharpeville–Prozesses gestern beteuert haben, er hätte seinerzeit nur unter Polizeidruck ausgesagt. Zahlreiche internationale Appelle an Präsident Pieter W. Botha zur Begnadigung der „Sharpeville Sechs“, unter anderen von US– Präsident Ronald Reagan, UNO– Generalsekretär Perez de Cuellar, der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und Bundeskanzler Helmut Kohl, blieben bisher erfolglos. Mit zahlreichen Protestaktionen soll heute gegen die geplante Hinrichtung der sechs protestiert werden. Außer zu einem Gedenkgottesdienst in Sharpeville hat die „Kampagne zur Rettung unserer Patrioten“ die südafrikanische Bevölkerung dazu aufgerufen, um zwölf Uhr zehn Minuten lang zu schweigen und alle Aktivitäten einzustellen. Selbst auf Autobahnen sollen die Autos stehenbleiben. Da sich unter den sechs erstmals eine Frau befindet, die wegen politischer Delikte zum Tode verurteilt wurde, sollen alle Frauen heute schwarz tragen. In der Nacht wollen sich Hunderte von Menschen in der anglikanischen Kathedrale von Pretoria zu einer Todeswache versammeln, die bis zur Stunde der Hinrichtung gegen sieben Uhr am Freitag früh andauern soll. Ähnliche Nachtwachen sollen im ganzen Land abgehalten werden. Pastor Frank Chikane, Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates (SACC), verurteilte schärfstens die geplante Hinrichtung der „Sharpeville Sechs“ am Mittwoch als „politisches Attentat“. Fortsetzung auf Seite 2 „Das Rechtssystem ist einfach ungerecht“, sagte Chikane. „Apartheid–Gesetze schützen die Privilegien einer Minderheit gegen die Rechte einer Mehrheit.“ In dieser Situation, so Chikane, könnten die sogenannten Verbrecher von heute die Helden von morgen sein. Bonn (taz) - Ein Vertreter der südafrikanischen Handelsgewerkschaft CCAWU, der wegen Bothas Repression seinen Namen nicht nannte und nicht fotografiert werden durfte, beklagte gestern auf einer Pressekonferenz der Grünen in Bonn den bisher schwa chen Protest gegen die geplanten Hinrichtungen :“Es hätte viel mehr und viel Ernsteres getan werden können.“ Er hoffe, daß daraus nun gelernt werde. Der Gewerkschafter wies darauf hin, daß neben den „Sharpeville Sechs“ rund 45 weiteren Menschen in Südafrika der staatlich „legalisierte Mord“ droht, darunter einem Sekretär seiner Gewerkschaft, William Ntambela. Die Grüne Bundestagsfraktion forderte gestern von der Bundesregierung ebenso wie die Anti– Apartheid–Bewegung, die Gnadenappelle an Botha mit Sanktionsdrohungen zu verbinden. „Besonders beschämend und entlarvend“, so die Grünen, sei das Schweigen von Franz Josef Strauß: „Nimmt Strauß den Tod der Sechs etwa billigend in Kauf?“ Auch die ÖTV–Vorsitzende Monika Wulf–Mathies, die sich wiederholt für die von der Hinrichtung bedrohte Theresa Ramashamole eingesetzt hatte, wies darauf hin, daß sie Strauß bereits vor seinem Südafrika–Besuch bat, für die Verurteilten aktiv zu werden. Johannesburg (dpa) - Theresa Ramashamola war eine junge Verkäuferin des Imbiß–Ladens Burger Box in dem Schwarzen– Getto Sharpeville 70 Kilometer südlich der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole Johannesburg, als dort am 3.September 1984 wütende Bewohner auf die Straßen strömten, um Rache an dem schwarzen Stadtrat zu neh men. Theresa und fünf Männer aus Sharpeville wurden 1985 zum Tode verurteilt, weil sie nach Aussagen von Zeugen bei dem Mord dabei waren. Prakash Diar, Anwalt der „Sechs von Sharpeville“, beschreibt das so: „Das Gericht akzeptierte ..., daß sie nicht den eigentlichen Mord begingen. Sie gerieten in die Menge hinein.“ Ein Berufungsgericht bestätigte Ende vergangenen Jahres den Tatbestand der „gemeinsamen Absicht“ und das Todesurteil.