Carl L. Guggomos

Donnerstag, 10 Uhr - Notiz auf dem Schreibtisch: „Anruf Claude Schumacher, München - Guggomos gest. - bittet um Rückruf.“ 11 Uhr - Rainer Hachfeld ruft an: Gestern ist Charly gestorben. Sehn wir uns bei der Beerdigung? Ob alle noch mal zusammenkommen? 12 Uhr - Anruf Horst Tomayer: Hacki sagt, ich soll einen Nachruf für die Feder schreiben. Ich mach das. Das fehlte noch, daß ihm hinterhergelogen wird. 12 Uhr 45 - Anruf des taz–Redakteurs Mehr: Können Sie für uns einen Nachruf auf Guggomos schreiben? 80 Zeilen a 30 Anschläge? Bis spätestens 14 Uhr 30. Auch so ein bißchen erzählen, Ihr habt doch damals zusammen bei diesem Augstein– Projekt und so. Schumacher, Tomayer, Hachfeld, Mehr - und der Dicke, der jetzt tot ist: Was für eine Szene! Und 80 Zeilen a 30 Anschläge: was für ein Scheißjob! Wird dennoch erledigt. Carl Luitpold Guggomos, geboren in Nazi– Deutschland, wird später Chef vom Dienst beim Zentralorgan der SPD: Vorwärts. Dort herrscht Herbert Wehner, der die Partei demnächst mit der CDU koalieren lassen will. Mit zwei weiteren Genossen schreibt Guggomos ein „Anti–Wehner–Memorandum“, das 1965 anonym in der Zeit erscheint. Die Baracke weiß, wers war, kanns aber nicht beweisen. Doch Guggomos hat ausgespielt. Zum Glück versuchen in Berlin die linken–Stadt–Intellektuellen (Krippendorff, Agnoli, Weißenborn, Mahler, Neuss, Rexin u.a.) mit Augsteins Geld gegen Springers Machtmonopol anzugehen. Guggomos wird Chef vom Dienst, Reisner Chefredekateur, Buchholz Reporter, Barthel Korrespondent, Schwenger macht Kultur, ich Innenpolitik. Das Programm: Neue Ostpolitik, Anerkennung der DDR, Antifaschismus, grob gesagt. Aber so sehr gegen Springer war Augstein dann doch lieber nicht: Nach vier Nullnummern machte er die Wochenzeitung Heute dicht und schenkte den Angestellten das Mobiliar. Was tun? Das entschied der Chef vom Dienst: Wir gründen einen linken Nachrichten–Dienst, den Extra–Dienst. Dreimal: Dienst - auch kein Zufall. Der ED blieb für fast ein Jahrzehnt das wichtigste Info–Blatt der Linken in Westberlin und der BRD. Einer Linken, die sich noch sozialistisch nannte. Als sie es nicht mehr sein wollte, begann der ED seine Abonnenten zu verlieren. Der Chef vom Dienst war am Ende. Er hat es - mit der Neuen - qualvoll verlängert. Zu ED–Zeiten hatte die SPD den Genossen Guggomos ausgeschlossen; als Wirt einer dubiosen Kneipe nahm sie ihn wieder auf. Eine komische Partei. Wo er doch eigentlich Kommunist war. Hermann L. Gremlitza