Ein Hilferuf, aus Washington diktiert

■ Vier neue US–Bataillone in Honduras sollen verhindern, daß Reagans Contra–Politik den Bach runter geht

Präsident Reagan ordnete die Entsendung von vier Brigaden, etwa 3.500 Mann, der 82. Luftlandedivision aus North Carolina und der 7.Infanteriedivision aus Kalifornien an, nachdem er am Abend eine entsprechende Bitte des honduranischen Präsidenten Jose Azcona erhalten hatte. Die Truppen sollen, so ein Sprecher des Weißen Hauses, weder in die Kämpfe eingreifen, noch sich in die Kampfzonen begeben, sondern „Flagge zeigen“. In Washington gingen den ganzen Tag Gerüchte über ein eventuelles militärisches Eingreifen der USA in Zentralamerika um. Die Chronologie der Ereignisse in Washington und Zentralamerika drängt den Verdacht auf, daß die Reagan–Administration allerdings weniger um die territoriale Integrität von Honduras als um ihre Contra–Politik besorgt ist. Sie drohte in den letzten Tagen endgültig zu scheitern, nachdem der Kongreß sich abermals geweigert hatte, weitere Hilfe für die antisandinistischen, von der Reagan– Administration geförderten, Rebellen zu beschließen. Schon zweimal - im Dezember 1986 und im März vergangenen Jahres - hatte die Reagan–Administration vor Abstimmungen über Contra–Hilfe mit Meldungen über einen nicaraguanischen Einmarsch in Honduras Krisenstimmung in Washington erzeugt. Die Sorge der Contra–Freunde in Washington war diesmal gewachsen, nachdem das Repräsentantenhaus in den letzten fünf Wochen zwei verschiedene „Hilfspakete“ abgelehnt hatte. Die finanzielle Unterstützung für die Contras aus der US–Staatskasse ist Ende Februar ausgelaufen. Und vor einigen Tagen startete die sandinistische Armee im Norden Nicaraguas eine Großoffensive, bei der sie vor allem die verbliebenen militärischen Nachschublager der Contras im Visier hatte. Am Mittwoch morgen hatte das US–State Department behauptet, etwa 1.500 nicaraguanische Truppen seien in honduranisches Territorium eingedrungen. Weitere 4.500 sandinistische Soldaten seien innerhalb Nicaraguas im Einsatz. Das nicaraguanische Heer sei im Begriff, den Contras einen „vernichtenden Schlag“ zu versetzen. Präsident Reagan wie derholte diese Version gegenüber Reportern dann am Vormittag, als er mit dem israelischen Premierminister Shamir zusammentraf. Die honduranische Regierung hingegen mußte sich zu ihrem „Hilfeersuchen“ offenbar erst überreden lassen. Sie verfügte bis zum Nachmittag über keine Informationen über die angebliche nicaraguanische Grenzverletzung, sondern wußte nur von Zivilisten, die sich vor den heftigen Kämpfen in Nicaragua über die Grenze nach Norden geflüchtet hatten - im Gegensatz zu ihrem Botschafter in Washington, der zu dieser Zeit bereits die Invasion bestätigt hatte. Am Nachmittag äußerte auch Honduras Präsident noch keinen Wunsch nach US– amerikanischem Beistand, als er mit dem Sprecher des US–Repräsentantenhauses, dem Demokraten Jim Wright, telefonierte. Er wolle die Angelegenheit „auf diplomatischem Wege“ beilegen. Erst als US–Botschafter Briggs etwas später bei Azcona vorsprach, änderte der Staatspräsident seine Meinung. Briggs konnte nach dieser Unterredung nach Washington melden, daß Azcona nun doch militärische Unterstützung aus den USA wünsche. Am Abend wurde dann Reagans Entscheidung, die Truppen nach Honduras zu entsenden, bekanntgegeben. Die 82. Luftlandedivision, so ein Bericht der US– Fernsehgesellschaft ABC, hatte allerdings bereits am Morgen von ihrer vorgesehenen Entsendung erfahren. Die vier Brigaden leichter Infanterie, die von Reagan nach Honduras entsandt wurden, werden sich zunächst auf der US–Militärbasis von Palmerola aufhalten, etwa 200 Kilometer von der umkämpften Region entfernt. Die Möglichkeiten der US–Armee, sie ins unmittelbare Kampfgebiet zu entsenden, sind begrenzt, da hierfür nicht genügend Hubschrauber zur Verfügung stehen. Doch wenn die Aussagen der Reagan–Administration zutreffen, sollen sie ohnehin vor allem eine Drohgebärde gegenüber Nicaragua sein. Verschiedene Mitglieder des Kongresses wurden den ganzen Mittwoch über auf dem laufenden gehalten - allerdings mit unvollständigen Informationen. Mehrere Abgeordnete warnten am Abend vor „Übertreibung“; Jim Wright bezeichnete den Grenzzwischenfall als „ernst, aber keinerlei Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA“. Senator Christopher Dodd nannte die Darstellung der Reagan–Administration „völlig übertrieben“. Die Sandinisten hätten zwar den „politischen Fehler“ begangen, zum jetzigen Zeitpunkt einen massiven Angriff gegen die Contras zu unternehmen. Er äußerte jedoch zugleich den Verdacht, die militärischen Maßnahmen sollten von den Anklagen gegen die vier Hauptakteure des Iran–Contra– Skandals ablenken, die am gleichen Tag bekanntgegeben wurden. Vor Gericht werden sich nicht nur der frühere Nationale Sicherheitsberater John Poindexter und sein Mitarbeiter Oliver North verantworten müssen. Auch der Luftwaffenmajor a.D. Richard Secord und der aus dem Iran stammende Geschäftsmann Albert Hakim werden angeklagt: wegen Verschwörung, Betrug, Diebstahl und Veruntreuung. North droht insgesamt eine Freiheitstrafe bis zu 85 Jahren und eine Geldstrafe bis zu vier Millionen Dollar. Poindexter muß mit Gefängnis bis zu 40 Jahren und einer Geldstrafe bis zu 1,75 Millionen Dollar rechnen. Secord und Hakim drohen ähnlich hohe Strafen. Die Anklageschrift umfaßt insgesamt 23 Punkte und ist 101 Seiten lang. Sie ist der Höhepunkt 15–monatiger Untersuchungen des Sonderermittlers Walsh. Weitere Anklagen gegen Beteiligte der Affäre, gegen die auch Ex–Sicherheitsberater McFarlane aussagen will, werden erwartet. Stefan Schaaf