Aufschub, aber keine Gnade

■ Oberstes Gericht Südafrikas verschiebt Hinrichtung der „Sharpeville Sechs“ um vier Wochen / Belastungszeuge hatte Aussage tags zuvor widerrufen / Protestaktionen im In– und Ausland / Drei Tote bei Bombenexplosion vor Gericht in Johannesburg

Johannesburg/Berlin (rtr/taz) - Die Hinrichtung der „Sharpeville Sechs“ wurde auf Anordnung des Obersten Richters W.J. Human um vier Wochen verschoben. Nur wenige Stunden vor der Exekution war es den Anwälten der sechs schwarzen Südafrikaner gelungen, einen Aufschub der Urteilsvollstreckung zu erreichen. Ein Belastungszeuge hatte seine Aussage widerrufen und eidesstattlich erklärt, von der Polizei durch Folter zu der Aussage gezwungen worden zu sein. Die fünf Männer und eine Frau waren 1985 zum Tode verurteilt worden, weil sie nach Überzeugung des Gerichts an Unruhen beteiligt waren, bei denen im September 1984 ein schwarzer Gemeinderat in der Schwarzen– Township Sharpeville südlich von Johannesburg ermordet worden war. Richter Human hatte das Urteil Ende letzten Jahres in oberster Instanz bestätigt. Gegen die Hinrichtung fanden im In– und Ausland zahlreiche Protestaktionen statt. In Sharpeville versammelten sich mehrere hundert Menschen zu einem Trauergottesdienst (siehe Reportage auf Seite 6). Vor dem Gerichtsgebäude des Johannesburger Vorortes Krugersdorp explodierte eine Autobombe. Mindestens drei Menschen wurden dabei getötet, 16 verletzt. ANC–Sprecher Tom Sebina erklärte in der sambischen Hauptstadt, der Anschlag könne eine Reaktion des ANC auf die Todesurteile sein. In Johannesburg und Kapstadt kam es zu über 30 Festnahmen bei Demonstrationen. Den weltweiten Appellen hatten sich am Mittwoch die 15 Mitglieder des UNO–Sicherheitsrats, der für Außenpolitik zuständige EG–Kommissar Willy de Clerq, der französische Staatspräsident Mitterrand und der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Bischof Kruse angeschlossen. Aus München ließ Strauß verkünden, er habe sich in einem Telefongespräch mit dem südafrikanischen Außenminister „Pik“ Botha um einen Aufschub der Hinrichtung bemüht. mf