I N T E R V I E W „Die Befriedung ist nicht gelungen“

■ Interview mit Theo Steegmann, zweiter Betriebsratsvorsitzender, und Helmut Laakmann, Abteilungsleiter im Rheinhausener Krupp–Stahlwerk, über die Situation am Stahlstandort nach Kanzlerrunde und „Frankfurter Vereinbarungen“ / Ohne neue Arbeitsplätze sollen die bestehenden erhalten bleiben

taz: Nach der Bonner Revierkonferenz ist auf der politischen Ebene in Bezug auf Rheinhausen das große Schweigen ausgebrochen. Das Ende der Krupp–Hütte scheint besiegelt. Ihr wollt das Blatt noch einmal wenden. Wie? Theo Steegmann: Das hat den Leuten in Rheinhausen schon gestunken, wie sich Rau und Blüm nach der Kanzlerrunde in den Armen gelegen und das Ergebnis als politischen Erfolg gefeiert haben. Für uns als Rheinhausener ist bei der Bonner Konferenz ja überhaupt nichts herausgekommen. Ich denke aber, daß die Landesregierung und auch die Stadt Duisburg uns gegenüber eine Bringschuld haben, weil sie schließlich das, was erreicht wurde, hauptsächlich uns zu verdanken haben. Der Ansatzpunkt wird das technische Alternativkonzept sein, das wir in den nächsten Tagen vorlegen werden. Ein Konzept, das die Hütte sichert und gleichzeitig schwarze Zahlen verspricht? Steegmann: Wir wollen dazu im Detail noch nichts sagen, aber das Konzept wird nachweisen, daß es selbst im Rahmen einer Kooperation sowohl technisch als auch betriebswirtschaftlich Sinn macht, beide Standorte - Krupp in Rheinhausen und Mannesmann in Hückeswagen - aufrechtzuerhalten. Was erwartet ihr von der SPD–Landesregierung? Steegmann: Die Landesregierung könnte sich direkt an bestimmten Modellen beteiligen, z. B. dadurch, daß die finanziellen Hilfen umgewandelt werden in Beteiligungen. Zum zweiten wäre nach unserer Landesverfassung die Überführung der Stahlindustrie in Gemeineigentum mög lich. Auch hier wäre die Landesregierung gefordert. Das wird die Rau–Regierung niemals machen. Steegmann: Gut, aber ich habe den Eindruck, daß in der internen IG–Metall–Diskussion die Stimmen sich mehren, die auch eine schärfere Kritik an der Landesregierung formulieren und zumindestens die Umwandlung der Subventionen in Beteiligungen fordern. In der Publizistik bläst Euch der Wind inzwischen ins Gesicht. Die Kommentatoren fordern Ruhe und „Einsicht in die wirtschaftlichen Notwendigkeiten“. Nach der Kanzlerunde werde für die Zukunft des Reviers ja viel getan.... Steegmann: Ich denke, daß die ganze Kanzlerrunde der Versuch war, uns in Rheinhausen politisch zu befrieden. Diese Linie setzt sich ja auch in dem „blauen Brief“ des Krupp–Vorstands an alle Belegschaftsmitglieder fort. Da steht drin, daß nach der Kanzlerrunde jede Arbeitsniederlegung ein „Schädigung des Unternehmens“ bedeute - mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Aber die Befriedung ist nicht gelungen. Im Rahmen der „Frankfurter Vereinbarung“ zwischen der IG–Metall und den Stahlinsdustriellen haben die Unternehmen den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen angekündigt. An einer Schrumpfung der Stahlbranche führt kein Weg vorbei. Führt ihr da nicht einen Kampf gegen Windmühlenflügel? Steegmann: In Rheinhausen ist zum ersten Mal ein hochmodernes Stahlwerk in einem industriellen Kernbereich betroffen. Hier wurden in den letzten Jahren über 500 Millionen Mark investiert. Das läßt vermuten, daß es es hier nicht nur um Rheinhausen, sondern um die Neuordnung der Stahlindustrie insgesamt geht mit noch gar nicht absehbaren Arbeitsplatzverlusten.... .aber an der Schrumpfung geht kein Weg vorbei. Steegmann: Das ist klar und das hat die IG–Metall mit der „Frankfurter Vereinbarung“ im Grundsatz ja auch akzeptiert. Dabei muß man allerdings wissen, daß bei den damals von den Arbeitgebern vorgelegten Zahlen in Rheinhausen ein Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen vorgesehen war und nicht die Vernichtung des ganzen Standortes. Unsere Position ist ganz eindeutig: Solange keine neuen Arbeitsplätze geschaffen sind, müssen die bestehenden erhalten bleiben. Der Ab– und Aufbau muß mindestens Zug um Zug geschehen. Der Krupp–Vorstand beharrt auf der schnellen Schließung. Wächst da nicht die Resignation im Betrieb? Helmut Laakmann: Ich würde das eher so sehen, daß die wütend sind. Die wollen nicht mehr Luftballons steigen lassen, sondern eine härtere Gangart einschlagen. Das haste ja auch heute morgen wieder gesehen. Da reichte ein kleiner Zeitungsbericht über die Aufsichtsratssitzung und schon sind die Kollegen, ohne das sie gerufen worden wären, zum Betriebsrat marschiert. Die sind mehr und mehr sauer. Wenn bei dem, vom Betriebsrat initierten Konzept was Vernünftiges herauskommt, und der Vorstand wieder sagt, auch das machen wir nicht, dann gibt es keine Diskussionen mehr, dann wird das hier spürbar härter werden und dann wird man sehen, daß die Belegschaft geschlossen dahinter steht. Ihr wollt jetzt hier im Stadtteil einen Verein „Leben und arbeiten in Rheinhausen“ gründen. Immer wenn den Deutschen nichts mehr einfällt, gründen sie einen Verein. Seid Ihr jetzt auch soweit? Helmut Laakmann: (lacht) Nee, aber hier in Rheinhausen hat sich in den letzten Monaten viel verändert. Die Menschen gehen wieder aufeinander zu, lassen sich nicht mehr alles bieten. Hier hat sich, bei allem Streß, den so ein Arbeitskampf mit sich bringt, ein ganz anderes Leben entwickelt. Es wird wieder miteinander geredet, man hat wieder Zeit füreinander, die Türen sind offen. Wir haben uns gedacht, daß man dieses Bewußtsein, diesen Lebensstil wachhalten muß. Mit dem Verein wollen wir uns künftig überall einmischen. Das war die Idee. Wir wollen nicht nur diskutieren, sondern auch ganz praktisch etwas schaffen. Wir wollen unbürokratisch und schnell Hilfe in Einzelfällen organisieren, aber uns z.B. auch um die Ausbildungssituation, um Kultur und Sport im Stadtteil kümmern. Warum müßt gerade Ihr das machen? Es sind doch alle möglichen Gruppen, Vereine und Parteien längst da. Steegmann: Wenn es so wäre, daß alles abgedeckt würde, dann träfen sich nicht jede Woche zweimal 500 bis 800 Menschen im Bürgerkommitee. Das Neue ist doch hier, daß die Menschen begriffen haben, man muß selber aufstehen, sich selber einmischen und selber anfangen, Politik zu machen. Wir wollen mit diesem Verein ein Zeichen setzen, zeigen, daß diese Stadt nicht stirbt und wir hier gerne leben und arbeiten. Wir wollen jedem deutlich machen: Ihr kriegt uns nicht kaputt. Interview: Walter Jakobs