Kraftprobe am Persischen Golf

■ Dosierte Eskalation auf allen Ebenen / Vermutlich 20.000 Opfer, meist Zivilisten Weltsicherheitsrat verspielt seine Autorität / Positionen in Bagdad und Teheran unverändert

Manama (taz) - Mit jeweils zwei Raketen auf Teheran und Bagdad setzten Irak und Iran am Wochenende den Städtekrieg fort. Den Tankerkrieg beantwortete Iran seinerseits mit dem Beschuß eines nigerianischen Tankers vor der arabischen Golfküste am Sonntag. Die Bodenkämpfe in Irakisch– Kurdistan und dem Mittelabschnitt der Front östlich von Bagdad sind am Wochenende etwas zurückgegangen. Neben den Angriffen auf die Hauptstädte beschoß Iran Basrah mit elf Raketen und sieben Grenzstädte mit Artillerie, der Irak bombardierte fünf iranische Städte. Beide Seiten sprachen wieder nur von Opfern unter der Zivilbevölkerung. Nach Schätzungen hat es in dem dreiwöchigen Städtekrieg 4.000 Tote und Verwundete gegeben. Hinzu kommen etwa 9.000 Opfer des irakischen Giftgasangriffes auf die eigene Kurdenstadt Halab jah Mitte der Woche. Irans Außenminister Velayati sprach in einem Brief an UN–Generalsekretär Perez de Cuellar von 5.000 Toten und 4.000 Verwundeten. Velayati beschuldigte den Weltsicherheitsrat, Maßnahmen unterlassen zu haben, Irak an solchen Verbrechen zu hindern. Damit spielte der Außenminister auf die Weigerung des Rates an, eine Resolution gegen den Städtekrieg zu verabschieden. Der Entwicklung im Krieg, in dem Irak eine Beendigung des Städtekrieges und Iran einen allgemeinen Waffenstillstand verweigert, entspricht das Vorgehen des Weltsicherheitsrates. Sowjetischer Einfluß hat seit Monaten die Verabschiedung eines Waffenembargos gegen Iran und US–Einfluß die Verabschiedung einer Resolution gegen den Städtekrieg verhindert. Damit verspielt der Rat zunehmend seinen Einfluß bei den Kriegsparteien. Irak will Iran militärisch zur Annahme des Waffenstillstandes zwingen, und Iran will militärisch Druck ausüben, um durchzusetzen, daß Irak von der UNO als Aggressor bezeichnet wird. Gerade die Kämpfe an der Landfront haben gezeigt, daß Iran nach wie vor auf eine langfristige Zermürbung Iraks setzt. Militärisch ist Iran dabei nicht mehr in der Lage, Großoffensiven zu beginnen. Teheran gelingen seit Monaten Erfolge nur noch im Bündnis mit oppositionellen irakischen Kurden. Während der von iranischen Streitkräften allein vorgetragene Angriff im Mittelabschnitt der Front am Wochenende scheiterte, gab es zusammen mit den Kurden erhebliche Erfolge. Irak dürfte in Kurdistan Gegenangriffe vorbereiten. Am Wochenende wurde in Bagdad bereits die Eroberung der Zentrale der Patriotischen Union Kurdistans gemeldet.