Mit voller Kraft für Atomverzicht

■ Auf der von den Grünen initiierten Konferenz „Atomverzicht ins Grundgesetz“ trafen sich Vertreter von bundesdeutschen Friedensorganisationen und Beobachter aus dem europäischen Ausland

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Nach einer ersten Konferenz zum Thema „Atomverzicht ins Grundgesetz“ deutet sich an, daß aus der ursprünglich grünen Forderung eine Kampagne der Friedensbewegung wird. Auf Einladung der Grünen tafen sich am Wochenende in Bonn nicht nur zahlreiche Mitglieder der eigenen Partei, sondern auch Vertreter diverser bundesdeutscher Friedensorganisationen sowie Beobachter aus Frankreich, Schweiz, Österreich und den Niederlanden. Bereits vor einem halben Jahr hatte die grüne Bundestagsfraktion als parlamentarisches Anliegen eingebracht, den „Verzicht der Bundesrepublik auf Herstellung und Besitz von Atomwaffen sowie Verfügungsgewalt über Atomwaffen“ in den Verfassungsrang zu heben. Nun soll daraus eine außerparlamentarische Kampagne werden, mit einer internationalen Konferenz im Herbst als erstem Höhepunkt. Daß sich die Bundesrepublik auf dem Weg zur Atommacht befindet, war unter den 120 Teilnehmern in Bonn kaum umstritten. Die militärische Dimension begleitete die bundesdeutsche Kernenergie–Entwicklung von Beginn an; das Festhalten an der Brütertechnologie ist heute ebenso wenig energiepolitisch zu begründen wie das Horten waffenfähigen Spaltmaterials in Hanau. „Hinter der Nebelwand der deutsch–französischen Freundschaft“, so Dorothee Piermont von den Europa–Grünen, bahnt sich die atomare Achse Bonn–Paris an. Durch die deutsch–französische Brüter–Kooperation und das eigene Atomprogramm verfügt die BRD bereits über ein „Stand–by–Programm“ als Atommacht. Innenpolitische Brisanz soll der Kampagne daraus erwachsen, daß mit dem Verzicht „nur“ die offi zielle Staatsdoktrin festgeschrieben werden soll, während gleichzeitig die unterstellten Atom–Ambitionen auf „zig Podiumsveranstaltungen“ (Thomas Ebermann) Thema werden sollen. Während sich Organisationen wie Jungdemokraten, Deutsche Friedensunion, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und Pax Christi für die Verzichts–Forderung erwärmen, kommt der SPD–Flügel in der Friedensbewegung in die Klemme: Egon Bahr hatte die Grundgesetz–Forderung im taz–Interview als „Gag“ abgetan, während sein linker Parteigenosse Catenhusen sie als „seriöse Idee“ begrüßte. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Abrüstungs– und Rüstungskontrolle der SPD– Bundestagsfraktion, Hermann Scheer, hat die Forderung der Grünen nach Aufnahme von Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz zurückgewiesen, da der Atomwaffensperrvertrag für die BRD Verfassungsrang habe. Wolfgang Biermann vom SPD– Friedensinstitut IFIAS argumentierte, die Grundgesetz–Forderung verstelle denBlick auf die heute existierenden Waffen; die Hamburger Jungsozialisten faßten hingegen bereits einen unterstützenden Beschluß. Eher ablehnend äußerte sich bisher die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG/VK). Der Koordinationsausschuß der Friedensbewegung wird erst vor der nächsten Strategiekonferenz im Mai einen endgültigen Beschluß fassen. Mit dem Treffen dürfte der entscheidende Schritt getan sein, die Verzichts– Initiative vom bündnispolitisch hinderlichen grünen Stallgeruch zu befreien: Zu einer Folgekonferenz Ende April lädt bereits ein größerer Kreis ein; vorher wollen sich die „Richter und Staatsanwälte für den Frieden“ auf einem Forum in Schwandorf mit dem Thema befassen.