Wahlen im Ländle: Zitterpartie für Späth

■ Obwohl die Bonner CDU/FDP–Regierung keine Chance ausließ, dem „Cleverle“ Knüppel zwischen die Wahlbeine zu werfen, blieb er stärkster Mann

Aus Stuttgart D. Willier

Die ersten Prognosen kurz nach Schließung der Wahllokale zeigten, daß die CDU Verluste von fast drei Prozent zu erwarten hat und die SPD ihr Wahlziel deutlich nicht erreichte. Lediglich die Grünen stabilisierten sich bei über acht Prozent, während die FDP, traditionsgemäß im Südwesten stark vertreten, mehr als ein Prozent einbüßte. Lothar Späth, der baden–württembergische Ministerpräsident hatte die gestrige Landtagswahl zu seiner eigenen gemacht, zu einer Prestigewahl. Wer wolle, daß er den Südweststaat weiterregiere, so hatte er in den vergangenen Wochen bei zig Wahlveranstaltungen kundgetan, müsse ihm auch eine ausreichende Mehrheit dafür besorgen. Daß es mit der Mehrheit der Stimmen im Lande dünn werden könnte, war spätestens seit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr keine Frage, gut 46 Wahlrecht schon 47,5 - 48 Daß Lothar Späth, um wenigstens diese bescheidene Mehrheit noch zu erhalten, seine ganze Überzeugungskraft aufbieten mußte, hat wohl weniger mit einem neuen Erstarken der hiesigen Sozialdemokratie zu tun, als vielmehr mit dem Schlingerkurs seiner Bundespartei. Keinen Tag, so hatte es jedenfalls in Baden–Württemberg den Anschein, ließ die Bonner Koalition in den Wochen vor der Wahl verstreichen, ohne ihrem vorlauten Erfolgspolitiker, dem „lieben Lothar“, Knüppel zwischen die Wahlbeine zu werfen. Kein Tag, an dem nicht mit neuen Entwürfen einer Quellensteuer kleine schwäbische Sparer, aber auch Vereine und Kirchenverbände geschreckt wurden. Wenn das nun doch nicht reichte, den „lieben Lothar“ zu Fall zu bringen, dann deshalb, weil hier eine große Mehrheit nicht am Bonner Tropf hängen möchte. Eine Koalition mit der FDP könnte Späth ohne großen persönlichen Prestigeverlust nicht mehr eingehen. Den aber hätte der Oggersheimer gebraucht, um den leidigen Konkurrenten endlich loszuwerden - ewig nämlich ist auch Lothar Späth nicht mehr in Stuttgart zu halten. Andere, wenn auch ähnliche Fehler, haben wohl auch die Bonner SPD–Strategen gemacht. Sicher, der Bonner Karrierepolitiker, Ökonom und Spitzenkandidat Dieter Spöri hat es nach vielen Jahren politischer Lethargie verstanden, den baden–württenbergischen Sozialdemokraten wieder so etwas wie Selbstbewußtsein und Hoffnung auf Zukunft zu vermitteln. Nur, wer von den Wählern glaubt schon, daß sich mit Parolen wie „Neuer Fortschritt“ und „Großen Jas statt Neins“ schon die gesamte Sozialdemokratie verändern würde. Letzte Unsicherheiten im baden–württembergischen Wahlkampf könnten sich erstmals in der Provinz entscheiden. Die hiesigen Bauern, mit am meisten gebeutelt von Brüsseler Quoten– und Flächenstillegungsbeschlüssen, begannen in den vergangenen Wochen und Monaten ihrer Traditionspartei, den Christdemokraten, ganz langsam abtrünnig zu werden. In das entstandene Vakuum der Verunsicherung stießen behutsam aber mit vollen Wahlveranstaltungen die baden– württembergischen Grünen. Nicht nur die Angst vor Stimmenverlusten in den großen Städten trieb sie aufs Land, sondern auch die Erkenntnis, daß die CDU dort abgewirtschaftet hat, und man selber nicht selten einfach die besseren und glaubwürdigeren Argumente hat.