Asyl: Ohrfeige für Zimmermänner

■ Bundesverwaltungsgericht hält „Drittländer–Klausel“ für rechtswidrig / Asyl auch bei vorherigem Aufenthalt in einem anderen Land / Asyl nicht nur Schutz, sondern auch Hilfestellung zum Leben, sagt das Gericht

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat sich in einer erst jetzt bekanntgewordenen Entscheidung sehr klar gegen einen wichtigen Bestandteil des neuen Asylverfahrensrechts ausgesprochen, das CDU/FDP im letzten Januar in Kraft gesetzt haben. Nach diesem Gesetz haben Asylbewerber, die auf ihrer Flucht in die Bundesrepublik durch ein Drittland gekommen sind, in dem sie angeblich vor Verfolgung sicher waren, keinen Anspruch auf Asyl. In der Praxis hat diese neue Regelung dazu geführt, daß Flüchtlinge häufig schon an der Grenze oder auf dem Flugha fen zurückgewiesen wurden, weil sie sich ja schon zuvor in einem politisch „sicheren“ Land aufgehalten hätten. Oftmals galt den bundesdeutschen Behörden dabei schon die kurze Durchreise oder eine eintägige Zwischenlandung in einem Drittland als Schutz vor politischer Verfolgung. Diese restriktive Regelung wird jetzt vom Bundesverwaltungsgericht verworfen. Politisch Verfolgte, so das Gericht in der schon Mitte Dezember ergangenen Entscheidung, haben auch dann einen Anspruch auf Asyl, wenn sie zuvor in diesem Drittland keine Lebensgrundlage finden konnten. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn sie „im Drittstaat hilf los dem Tod durch Hunger und Krankheit ausgesetzt“ sind „oder nichts anderes als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums zu erwarten haben.“ Das Grundrecht auf Asyl, so definieren es jetzt die Bundesverwaltungsrichter, heißt, daß dem politisch Verfolgten nicht nur Schutz, sondern auch Hilfestellung zum Leben gegeben werden müsse, um Obdachlosigkeit, Mittellosigkeit oder Hunger zu vermeiden, die aus der Flucht resultieren. Hat ein Asylbewerber diese Hilfestellung in einem Drittstaat nicht erhalten, so sei er auch nicht vor politischer Verfolgung sicher gewesen. Obwohl diese weitgehende Definition von politischer Verfolgung im Widerspruch zur herrschenden Ablehnungs– und Zurückweisungspraxis gegenüber Flüchtlingen steht, ist fraglich, ob die Bundesregerierung diese Praxis korrigieren wird. Asylbewerber, denen es gelingt, in der Bundesrepublik ein Asylgesuch zu stellen, können sich jetzt zwar auf diese Entscheidung berufen und notfalls selbst den juristischen Weg einschlagen. All den Flüchtlingen, die wegen ihres vorherigen Aufenthalts in einem „sicheren“ Drittstaat gleich an der Grenze zurückgewiesen werden, nützt diese Hilfe von den Berliner Bundesverwaltungsrichtern wenig. (AZ: Bundesverwaltungsgericht 9 C 285/86)