VW: Notverkauf zum Auffüllen der Staatskasse

■ Stoltenberg drücken die Schulden und die Parteidoktrin / Privatisierung schlecht getimt

Von Patrick Mc Cash

Berlin (taz) - Für 238 DM das Stück bietet der Bund 4,8 Millionen Aktien der Volkswagen AG, das sind 16 Prozent des Grundkapitals des Autoherstellers, jetzt zum Verkauf an - rund eine Milliarde Mark soll durch die Privatisierungsaktion in die Kassen des Finanzministers fließen. Den mehrfach verschobenen Verkauf der VW–Anteile hat der SPD–Finanzfachmann Apel als „Notschlachtung“ bezeichnet, zu Recht: Mit der immensen Neuverschuldung des Bundeshaushalts hat Stoltenberg seinen Nimbus als kühler Sparer verspielt und muß zusehen, daß die aufgerissenen Finanzlöcher irgendwie gestopft werden. Für eine Privatisierung spricht, abgesehen von rein ideologischen Begründungen - weniger Staat, mehr Markt - zum jetzigen Zeitpunkt nichts: Die VW– Aktie notiert weit unter ihrem Höchststand, im Jahr 1986 wurden 649 DM für eine Stammaktie bezahlt, am vergangenen Montag waren es 240 DM. Rutscht der Dollar in den nächsten Tagen nur ein paar Pfennige nach unten und trübt so die derzeit freundliche Börsenstimmung, kann VW durchaus in Richtung des Post– Crash–Tiefkurses von 202 DM fallen. Die 238 DM, die der Finanzminister pro Stück verlangt, würden die Stimmung auf dem Aktienmarkt dann für eine ganze Weile vermiesen, ähnlich wie das nach dem Crash unverkäufliche libysche FIAT–Paket, das die Mailänder Börse lange Zeit lähmte. Aber auch wenn der Dollar und damit das freundliche Klima auf dem deutschen Aktienmarkt weiter hält, ist der VW–Verkauf kein guter Deal. Zwar wird allgemein davon ausgegangen, daß der Super–Boom der Autoindustrie vorbei ist und Autoaktien nicht die besten Kurschancen haben, doch gerade bei VW gibt es keinen Grund, die Aktie jetzt zu verkaufen. Bei einer Ausschüttung von 10 DM (im Jahr 1987) liegt die Dividenden–Rendite bei 6,7 Rendite einen Spitzenplatz unter den deutschen Aktiengesellschaften ein. In Zeiten, wo auch mit festverzinslichen Anleihen (wie Renten und Kommunal–Obligationen) kein höherer Profit zu erzielen ist, wird ein guter Investor ein solches Engagement nur aufgeben, wenn es ihm an Liquidität mangelt und irgendein Sparschwein notgeschlachtet werden muß. Tut sich nun, angesichts des Engpasses beim obersten Kassenwart der Nation, Stoltenberg, die Profit–Chance für den anarchistischen Kleinanleger auf? Immerhin lag der Höchstkurs von VW fast dreimal so hoch, warum soll er nicht bald wieder erreicht werden? Zudem ist die Ausschüttung immer noch viel besser als auf dem Postsparbuch und wenn der neue Passat ein Renner ist, wird sie das auch bleiben. Also zur Bank, und Papa Staat die Aktie abgekauft, die läuft und läuft und läuft??? VW kann im Frühjahr 1990 bei einem Kurs von 800 Mark stehen und 15 DM ausschütten, sie kann aber auch nach einem Crash im Herbst 1988 bei 69,50 notieren, und die Dividendenzahlung wird für die nächsten drei Jahre eingestellt - die Wirklichkeit wird sich, wie meistens, zwischen den Extremen abspielen. Und da gibt es, sowohl in konservativer als auch in spekulativer Hinsicht, überzeugendere Anlagen als VW. McCashFlow jedenfalls würde Stolti im Regen stehen lassen, auch wenn die Kurspflege, die der Minister in den nächsten Wochen betreiben wird, kurzfristig den Anschein eines Sonderangebots erregt.