„Die FMLN sucht weiter eine Verhandlungslösung“

■ Das gemeinsame Projekt Präsident Duartes und der USA hat eine Niederlage erlitten / Gespräch mit Rene Rodriguez, Europavertreter der salvadorianischen Guerilla (FMLN), zum Wahlsieg der rechtsradikalen ARENA

taz: Wie ist es möglich, daß die Partei der Todesschwadronen, der Mörder von Erzbischof Romero, die Mehrheit bei den Parlamentswahlen bekommt? Rodriguez: Das Ergebnis heißt zunächst einmal, daß die Oligarchie dem gemeinsamen Projekt von Präsident Duarte und den USA die Unterstützung entzogen hat. Man kann jedenfalls nicht sagen, daß es die großen Mehrheiten sind, die ARENA gewählt haben. Nach unseren Informationen war die Wahlbeteiligung nur halb so hoch wie beim letzten Mal. Und die Absage an Duarte war eine Absage an seine Politik der Counterinsurgency. Aber die Protestwähler gingen nach rechtsaußen, nicht nach links. An den Wahlen hat auch keine revolutionäre oder linke Partei teilgenommen, weil die das für eine Farce hielten. Trotzdem: Warum haben so viele Leute, auch aus den armen Schichten, für ARENA gestimmt? In einer Kriegssituation stimmen viele nach Sicherheitsgesichtspunkten. Und sehr viele haben auch gar nicht gewählt. ARENA hat den totalen Krieg gegen die Guerilla auf ihre Fahnen geschrieben, sie will - anders als Duarte - nicht einmal einen formalen „Dialog“. Bedeutet ihr Wahlsieg das Ende der FMLN– Strategie, über einen Dialog zu einer breiten Koalitionsregierung unter Einschluß der Linken zu kommen? Unser Vorschlag einer „globalen Verhandlungslösung“ richtet sich nicht an ARENA, sondern an alle nationalen Sektoren. ARENA ist auch noch nicht an der Regierung, Duarte bleibt auch nach den Parlamentswahlen Präsident. Vorerst kompliziert der Ausgang die Counterinsurgency– Strategie und ihre politische Fassade, denn er verschärft die Gegensätze - innerhalb der Bourgeoisie und gegenüber den Nordamerikanern. Hat die FMLN versucht, die Wahlen zu sabotieren? Vom Wahlsonntag selbst gibt es nur wenig Meldungen über einen geglückten Transportboykott. Unsere Sabotagepolitik war äu ßerst erfolgreich. In vielen Orten wurde nicht gewählt, und viele aus den arbeitenden Schichten sind nicht zur Wahl gegangen. Wo ist denn nicht gewählt worden? In Morazan, Chalatenango, Cabanas und Usulutan haben wir am Wahltag eine ganze Reihe von Dörfern und kleinen Städten besetzt. Die Energieversorgung haben wir praktisch im ganzen Land lahmgelegt. Guerillakommandos haben in Städten Aktionen durchgeführt, und das Elitebataillon Atlacatl konnte nicht einmal die Kontrolle über die Hauptstraße nach Santa Ana sicherstellen. Haben nicht auch viele die Hardliner von ARENA gewählt, weil sie des ständigen Stromausfalls, der Transportsperren durch die FMLN müde sind? Die Sabotage richtet sich nicht gegen die Bevölkerung. Am meisten werden doch die Reichen davon getroffen, die die ganze Infrastruktur brauchen. Schließlich hätte der Transportboykott ohne die Mithilfe der Bevölkerung gar nicht so erfolgreich sein können. Zeitweise waren ja 95 bis 100 Prozent des Verkehrs lahmgelegt, und das war nicht einfach nur eine militärische Aktion. Welche Konsequenzen zieht jetzt die FMLN aus dem Wahlergebnis? Unsere Strategie einer politisch ausgehandelten Globallösung wird die gleiche bleiben. Interview: Michael Rediske