„In Südafrika ist keine Zeitung mehr sicher“

■ Breite Proteste gegen das dreimonatige Verbot der oppositionellen Wochenzeitung New Nation / Begründung des Informationsministers: „Vollkommene Identifikation mit dem Kommunismus“ / Auch andere Oppositionszeitungen fürchten nun Regierungsmaßnahmen

Aus Kapstadt Hans Brandt

Zahlreiche südafrikanische Zeitungen haben das am Dienstag verhängte dreimonatige Verbot der oppositionellen katholischen Wochenzeitung New Nation scharf verurteilt. Die größte Tageszeitung für Schwarze, The Sowetan, protestierte am Mittwoch in einem Kommentar: „Dieser Eingriff zeigt, daß die Regierung alles tun wird, um Zeitungen dazu zu zwingen, ihre Linie zu verfolgen. Gegen Abweichler wird mit un nachgiebiger Grausamkeit vorgegangen.“ Die größte Tageszeitung des Landes, The Star, schrieb ebenfalls in einem Leitartikel, daß die Regierung alles tun werde, um eine Kontrolle der Gedanken zu erzwingen: „Jetzt ist keine Zeitung mehr sicher“, schrieb The Star. Der südafrikanische Informationsminister, Stoffel van der Merwe, begründete das infolge der Zensurbestimmungen des Ausnahmerechts verhängte Verbot damit, daß die New Nation sich „vollkommen mit dem Kommunismus identifiziere“. Ohne das Verbot hätte die Zeitung zu einer Wiederbelebung des Widerstandes, zu Gewalt und wachsender Unordnung in Südafrika beitragen können, sagte van der Merwe. New Nation, die mit einer Auflage von 50.000 vor allem in der schwarzen Bevölkerung gelesen wird, hatte am Montag erfolglos vor dem obersten Gericht in Pretoria beantragt, das Verbot der Zeitung vorläufig gerichtlich zu untersagen. Der Antrag folgte einem Gerichtsverfahren, in dem die Zeitung vor kurzem ebenfalls erfolglos versucht hatte, die Ausnahmebestimmungen vom Gericht für illegal erklärt zu bekommen.Eine Berufung gegen dieses Urteil wurde eingelegt. Die New Nation hatte gehofft, daß ein Verbot der Zeitung bis zur Anhörung dieser Berufung aufgeschoben werden könnte. Die Zeitung kann nach dem dreimonatigen Verbot, das bis zum 10.Juni gültig ist, wieder veröffentlicht werden. Regierungsvertreter machten jedoch deutlich, daß sofort ein erneutes Verbot ausgesprochen werden würde, wenn die Berichterstattung der New Nation auch dann nicht den Erwartungen der Regierung entspreche. Vier andere oppositionelle Zeitungen und Zeitschriften befürchten nach dem New Nation–Verbot, daß die Regierung nun gegen sie vorgehen könnte. Dabei handelt es sich um die Wochenzeitungen Weekly Mail und South, das in Kapstadt veröffentlichte Regionalblatt Grassroots und die angesehene analytische Zeitschrift Work in Progress. In allen Fällen muß der Innenminister jedoch noch eine formelle Warnung gegen diese Tages– und Wochenblätter Publikationen im Staatsanzeiger veröffentlichen, bevor ein Verbot verhängt oder ein interner Zensor angestellt werden kann.