Umstrittene Begräbnisszenen

■ Die britische Fernsehanstalt BBC verweigert die Herausgabe von Filmaufnahmen über die dramatischen Ereignisse in Nordirland an die Polizei / Willkommener Anlaß für Maggie Thatcher

Aus London Rolf Paasch

Premierministerin Margaret Thatcher hat am Dienstag die britischen Fernsehanstalten beschuldigt, sich mit ihrer Weigerung, bisher nicht ausgestrahlte Fernsehbilder herauszugeben, auf die Seite der nordirischen „Terroristen“ zu schlagen. Bei den umstrittenen Fernsehaufnahmen handelt es sich um Szenen des Begräbnisses vom Samstag in Belfast, in dessen Verlauf zwei britische Soldaten zunächst von der Menge verprügelt und später erschossen wurden, nachdem sie aus bisher noch völlig ungeklärten Gründen mit hoher Geschwindigkeit mitten in den Trauerzug geprescht waren. „Entweder man steht auf der Seite der Justiz oder auf der Seite der Terroristen“, erklärte die Premierministerin vor dem britischen Unterhaus und setzte damit die Serie von Angriffen ihrer Regierung auf die Medien fort. Während Frau Thatcher gerne den automatischen Zugang des Staates zu allen Photo– und Filmaufnahmen der Medien etablieren möchte, wehren sich diese gegen die Zwangsherausgabe des nicht veröffentlichten Bildmaterials, weil damit langfristig eine Berichterstattung über Nordirland unmöglich gemacht werde. „Wenn wir automatisch Zugang zu nicht gesendetem Bildmaterial gewähren“, so verteidigte BBC–Chef Michael Checkland die Haltung der öffentlich–rechtlichen Anstalt, „dann könnten die nächsten Opfer solcher Ereignisse unsere eigenen Leute sein; Kameraleute, Reporter und Tontechniker.“ Dennoch versucht die Regierung seit Jahren ganz gezielt, sich sämtlicher Bilddokumente über Unruhen und Streiks zu bemächtigen. 1986 wurden die Herausgeber von zwei Regionalzeitungen gerichtlich zur Herausgabe von unveröffentlichten Photos über die Rassenunruhen von Bristol gezwungen. Durch die Äußerung Frau Thatchers sieht sich nun auch die nordirische Polizei RUC dazu gedrängt, die Übergabe der umstrittenen Begräbnisszenen vor Gericht zu erwirken. Dabei glaubt niemand ernsthaft, daß die 50 Sekunden bisher unveröffentlichten BBC–Materials neue Aufschlüsse über die Ermordung der beiden britischen Soldaten geben werden. Der neue Konflikt um die Bilder von Belfast dient der Regierung Thatcher jedoch als willkommener Anlaß, ihre Kampagne zur politischen Zähmung der noch halbwegs unabhängigen BBC weiterzuführen. Neben der immer häufiger ausgeübten Zensur allzu regierungskritischer oder Programme geht es der Regierung nun auch um die Entscheidungsgewalt bei der Abbildung öffentlicher Ereignisse.