Zwei Vorschläge für Waffenruhe in Nicaragua

■ Bei den ersten direkten Verhandlungen präsentierten Sandinisten und Contras ihre Vorschläge: Contras wollen Feuerpause, Sandinisten definitiven Waffenstillstand / Contras fordern Privatisierung des Fernsehens / Sandinisten: erst Waffenruhe, dann Amnestie

Sapoa (taz) - Humberto Ortega gab sich am Dienstag abend mit den Ergebnissen des zweiten Tages der Gespräche mit der Contra zufrieden. „Wir sind nun in die konkrete Diskussion über die Vorschläge der beiden Seiten eingetreten. Wenn die Dynamik anhält, werden wir morgen eine Übereinkunft erzielen“, meinte Nicaraguas Verteidigungsminister, der die Regierungsdelegation anführt, die in Sapoa, einem Dorf an der Grenze zu Costa Rica, zum erstenmal direkte Verhandlungen mit dem Kriegsgegner aufgenommen hat. Contra–Chef Adolfo Calero seinerseits lobte die Offenheit der Debatte und das gute Klima und betonte, daß es neben Differenzen auch Gemeinsamkeiten gegeben habe. Das ist insofern erstaunlich, als sich die Vorschläge der beiden Seiten im Kern zutiefst unterscheiden. Die Contras schlagen eine 45tägige Feuerpause vor, während der sie die Waffen noch nicht niederlegen müssen, aber schon in den Genuß aller bürgerlichen Rechte kommen und sich auch am nationalen Dialog zwischen Regierung und politischer Opposition beteiligen können. Die Regierung soll innerhalb der 45 Tage Feuerpause eine Generalamnestie für alle politischen Gefangenen durchführen. Ob danach ein definitiver Waffenstillstand herrschen soll, steht bei der Contra in den Sternen. Die Regierung schlägt einen Waffenstillstand von 30 bis 90 Tagen vor. Die Contras sollen sich in dieser Zeit ins zivile Leben eingliedern, wobei ihnen alle bürgerlichen Rechte zugestanden werden sollen. Während dieser Übergangsperiode will ihnen die Regierung über das Rote Kreuz Kleidung und Verpflegung zukommen lassen. Erst wenn in direktem Anschluß an die Übergangsperiode ein definitiver Waffenstillstand eintritt, soll das Gesetz in Kraft treten, das die Amnestie der politischen Gefangenen regelt. Allerdings hat Vizeaußenminister Tinoco auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben, daß die Regierung für jeden Contra, der die Waffen streckt, einen der 3.300 politischen Gefangenen - es handelt sich vorwiegend um ehemalige Angehörige der Nationalgarde des 1979 durch die sandinistische Revolution gestürzten Diktators Somoza - freilassen wolle. Die Contra will ihre Eingliederung ins zivile Leben nach wie vor von vorgängigen strukturellen politischen Veränderungen abhängig machen. Zudem verlangt sie von der Regierung, daß sie während der Feuerpause die Rekrutierungen einstellt und daß das staatliche Monopol beim Fernsehen aufgehoben wird. Zumindest in diesem letzten Punkt wird sie wohl auf Granit beißen. Umstritten ist auch, wer ein künftiges Übereinkommen über wachen soll. Die Regierung will diese Aufgabe einer internationalen Kommission übertragen, in der die UNO, die OAS, die Contadora–Staaten Mexiko, Panama, Kolumbien und Venezuela, die sog. Unterstützergruppe, die aus Peru, Brasilien, Uruguay und Argentinien besteht, sowie Spanien, Italien, Schweden, Norwegen, Finnland, Kanada und die Bundesrepublik Deutschland vertreten sein sollen. Die Contra will die Überwachung einer von Erzbischof von Managua, Kardinal Obando y Bravo und dem Generalsekretär der OAS, Joao Baena Soares angeführten Kommission anvertrauen. Zu der von US–Präsident Reagan angestrebten Neuauflage einer Contra–Hilfe wollte sich Calero nicht äußern. Wollen die Contras über die Vereinbarung einer Feuerpause vielleicht nur eine Verschnaufpause gewinnen, bis neue US–Gelder eintreffen, um dann wieder erneut zuzuschlagen, oder sind sie aus Enttäuschung über die US–Politik ernsthaft an einer Friedenslösung interessiert? Trotz aller Skepsis herrscht in Sapoa Optimismus. Doch warnten Mitglieder der Regierungsdelegation vor „Überraschungen in letzter Minute“, wenn die USA, wie bei vergangenen Gelegenheiten, die Contras unter Druck setzen. Eva v. Hase–Mihalik/thos