Die letzte Ruhe vor dem Sturm

■ Der Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes läuft Sturm gegen Blüms Kostendämpfung

„Bei uns sind die Särge so billig. Warum wollen Sie da noch länger leben?“ Die skurillen Werbeslogans der amerikanischen Erdmöbelindustrie könnten bald auch bei uns Gehör finden. Dann nämlich, wenn Blüms Kostendämpfungsgesetz den Bundestag passiert. Der christdemokratische Gesetzesentwurf sieht den Wegfall des Sterbegeldes vor, womit sich die Begräbniskosten für die Verbraucher merklich erhöhen würden. Aus diesem Grund legte der ansonsten auf Pietät und Diskretion erpichte Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes alle Hemmungen ab. Auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf wetterte der Dachverband vehement gegen dieses „Gedankengut der Wegwerfgesellschaft“, das die „abendländische Bestattungskultur“ bedrohe. Man befürchte, daß nach Inkrafttreten des Blümschen Entwurfes die Verstorbenen aus den „Sterbekammern“ der Krankenhäuser „direkt dem anonymen Massengrab zugeführt werden“. Wohl wahr. Mit diesem geplanten Schnitt ins soziale Netz werden schwere Zeiten auf das bundesdeutsche Bestatterwesen und seine Kundschaft zukommen. Denn bislang besaßen alle Krankenkassen–Mitglieder einen Anspruch auf Sterbegeld, das sich bei der AOK, der Anstalt der kleinen Leute, auf 2006,60 Mark belief. Andere Innungs– und Ersatzkassen zahlten zwar bis zu 4000 Mark, aber auch diesen Sterbehilfen geht es nun an den Kragen. „Das Ganze schadet dem Menschen, der sich darauf verlassen hat, daß er nach seinem Tod beerdigt wird“, wettert Werner Peter, Bundesvorsitzender des Bestattungswesens. Er befürchtet eine sprunghaft steigende Zahl von Sozialbegräbnissen, deren Kosten von den Sozialämtern getragen werden müssen. Die staatlich bestellte Grablegung allerdings bringt Peter nicht aus purer Nächstenliebe um die letzte Ruhe. „Das Preisgefüge bei derartigen Bestattungen“, weiß selbst Hartmut Woite, Inhaber des bundesweiten Billig–Anbieters Sarg– Discount, „ist derart knapp kalkultiert, daß man daran kaum verdienen kann.“ Vor allem entfällt bei der letzten sozialen Dienstleistung die Kostenerstattung für gewisse Extras, auf die trauernde Angehörige oft bestehen - und die den eigentlichen Reibach der „Grufties“ ausmachen können: Zeitungsanzeigen, Grabredner oder Trauermusik während der Andacht. Unternehmer Peter: „Wir verkaufen nicht nur Särge, wir beraten die Leute in allen Belangen, und das macht unsere eigentliche Arbeit aus.“ Die Branche muß gehörig umdenken. Sinkende Bevölkerungszahlen und ein längeres Leben machen dem Wirtschaftszweig zu schaffen, der, wie Experten schätzen, bei rund 700.000 Toten im Jahr zwischen drei und vier Milliarden Mark umsetzt. Die Menge machts, prognostiziert „Preisbrecher“ Woite, der jedoch befürchtet, Blüms Kostendämpfer könne „die gesamte Branche verändern“. Der Anteil der Feuer– und Seebeisetzungen könnte weiter emporschnellen, weil für Einsargung, Grabpflege und andere Folgekosten weit weniger tief in die Tasche gegriffen werden müßte. Die Einäscherung, versichern Peter und Woite (die sich ansonsten nicht gerade gut verstehen), werde angesichts der Bonner Pläne weiter an Gewicht gewinnen. Ohnehin steht die Urnenbeisetzung in einigen Landstrichen mit weitem Abstand auf Platz eins: In Berlin verfügen 64 Prozent aller Menschen, nach ihrem Tod verbrannt zu werden; im oberfränkischen Selb sind es gar rund 90 Prozent. Sehr zum Leidwesen der Innungen, deren Gewinnspannen beim Urnengang deutlich geringer ausfallen als bei einer Erdbestattung, wo man die Trauernden schon mal zum Kauf einer eichenen Prunktruhe überreden kann. Behältnisse, die für den Ofen bestimmt sind, liegen im durchschnittlichen Preis weit darunter. „Der Kampf in der Branche wird härter“, urteilt denn auch ihr Vorsitzender Peter: Die Bevölkerung geht zurück, aber vielerorts eröffneten neue Geschäfte, die, wie Kollege Woite berichtet, ihre Erdmöbel teilweise schon unter dem Einkaufspreis feilbieten. Ob es in der ganzen Angelegenheit überhaupt einen Dritten gibt, der lacht, darf bezweifelt werden. Der Andrang vor den Sozialämtern könnte die Kassen bald leeren und den Verschiebebahnhof Krankenkassen–Sozialämter als wenig sinnvoll bloßstellen. Selbst dann hätten die Bestatter womöglich keinen Grund zur Heiterkeit. In Insiderkreisen kann man sich durchaus vorstellen, daß die staatlichen Behörden, um an billigere Särge zu kommen, besonders günstige Anbieter als das einzig gangbare System empfehlen. Das Knacken im Preisgefüge wäre nicht zu überhören - für manchen Bestatter Anlaß, sich Gedanken über das Leben nach dem Geschäft mit dem Tod zu machen. Jürgen Schulz S Z E N E K A L E N D E R