Tarife: Widerspenstiges Saarland

■ Tarifkompromiß des Öffentlichen Dienstes soll für Beamte nicht übernommen werden / IG–Chemie–Chef Rappe forderte SPD–Vorstand auf, erneut über Lafontaines Vorschlag zum Lohnverzicht zu beraten

Berlin/Bonn (taz/ap) - Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine hat den Tarifabschluß für den Öffentlichen Dienst heftig kritisiert und angekündigt, er werde seine Vorschläge zur Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich für Besserverdienende weiter vertreten. In einem Interview des Norddeutschen Rundfunks sagte der stellvertretende SPD–Vorsitzende, durch den Abschluß werde es nicht mehr, sondern weniger Arbeitsplätze geben. „Dieser Tarifabschluß gibt denen, die Arbeit haben, mehr Geld und mehr Freizeit. Daraus folgt notwendigerweise, daß für diejenigen, die keine Arbeit haben, dabei nichts abfällt.“ Die saarländische Landesregierung will prüfen, ob der Tarifkompromiß im Öffentlichen Dienst auch auf die Beamten angewendet werden soll. Der Leiter der Saarbrücker Staatskanzlei, Reinhold Kopp, will klären lassen, „wie groß der Spielraum für Beamte ist“. Die Regierung Lafontaine stellt sich damit der Ankündigung von Innenminister Zimmermann unmittelbar nach Abschluß der Stuttgarter Tarifverhandlungen entgegen, der Abschluß über Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhungen im Öffentlichen Dienst werde auch auf die rund 1,8 Millionen Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden übertragen. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Chemie–Papier– Keramik, Hermann Rappe, hat unterdessen den SPD–Parteivorstand aufgefordert, erneut über die Forderung des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine nach Lohnverzicht für Besserverdienende bei kürzeren Arbeitszeiten zu beraten. Rappe bezog sich dabei auf das vom SPD– Vorstand in der vergangenen Woche verabschiedete Konsenspapier, in dem sich sowohl Lafontaine mit seinen Thesen zum Lohnverzicht als auch seine Gegner wiedergefunden hatten. Der IG– Chemie–Vorsitzende betonte, die SPD müsse sich endlich wieder als Arbeitnehmerpartei bewegen und dürfe nicht so tun, „als hätte sie mit den schwierigen Situationen gewerkschaftlicher Arbeit weniger am Hut“. Lafontaine dürfe mehr Wirtschaftskompetenz der SPD nicht auf Kosten der ArbeitnehmerInnen zu erreichen veruchen. „Trotz aller Störfeuer“ wertete Rappe den Tarifabschluß im Öffentlichen Dienst als „guten Erfolg“. Er forderte, nun müsse eine geänderte Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Land folgen: „Dann könnte dieser Tarifabschluß wesentlich zur Arbeitsplatzsicherung und zum Arbeitsplatzabbau beitragen.“ katel