Nicaragua: Erster Schritt zum Frieden

■ Sandinisten und Contra vereinbarten einen vorläufigen Waffenstillstand / Gefangene Contras und Nationalgardisten der 1979 gestürzten Diktatur sollen schrittweise amnestiert werden / Nächste Verhandlungsrunde Anfang April in Managua

Sapoa (taz) - „...und die glorreiche Flagge wird nicht mehr vom Blut der Brüder getränkt.“ Alle gemeinsam sangen sie diese hoffnungsfrohe Strophe der nicaraguanischen Nationalhymne: Verteidigungsminister Humberto Ortega, Contra–Chef Adolfo Calero, Kardinal Obando y Bravo. Ort des Geschehens: Das Zollhaus von Sapoa, dem letzten Dorf Nicaraguas vor der Grenze zu Costa Rica. Dort unterzeichneten am späten Mittwoch abend Sandinisten und Contras ein Abkommen, das beide Seiten als „historisch“ werteten. Nach dreitägigen Verhandlungen hatten sich die Kriegsgegner auf einen Neun–Punkte– Plan geeinigt, der die „Einstel lung offensiver militärischer Operationen“ für einen Zeitraum von 60 Tagen ab 1.April vorsieht. Bis dahin soll weiter die bereits vorher vereinbarte Feuerpause gelten. Bei einem zweiten Treffen in Sapoa soll eine gemischte Expertenkommission am nächsten Montag die Rückzugsgebiete der Contra eingrenzen. Die Verhandlungen über einen endgültigen Waffenstillstand stehen dann am 6.April auf dem Programm - in Managua. Die Sandinisten haben am Mittwoch abend offenbar weitgehende Zugeständnisse gemacht. Vor allem akzeptieren sie, daß die Contras am nationalen Dialog, d.h. an den politischen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, teilnehmen, sobald sie sich in die ihnen zugewiesenen Zonen zurückgezogen haben - also zunächst noch als bewaffnete Kraft. Außerdem: während die Sandinisten bislang eine Generalamnestie von der Unterzeichnung eines definitiven Friedensvertrags abhängig machten, soll Fortsetzung Seite 6 nun die Hälfte der 1.523 wegen Contra–Aktivitäten Inhaftierten freikommen, sobald die Contra sich in die Rückzugsgebiete begeben hat. Die andere Hälfte und mit wenigen Ausnahmen auch die 1.837 ehemaligen Nationalgardisten der Somoza–Diktatur kämen frei, wenn eine endgültige Waffenruhe vereinbart ist. Als Geste des guten Willens sollen die ersten 100 Contra–Gefangenen sogar schon am nächsten Sonntag auf freien Fuß gesetzt werden. Die Einhaltung der Übereinkunft sollen der Erzbischof von Managua, Kardinal Obando y Bravo, und der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Joao Baena Soares, überwachen. Den ganzen Tag hatten einige hundert übermüdete Journalisten und Kameramänner gewartet. Erst als am Abend gegen acht Uhr hinter dem Rednerpult die nicaraguanische Flagge gehißt wurde, wußten sie, daß es zu einer Einigung gekommen war. Noch Minuten bevor dann OAS–Generalsekretär Baena Soares den Vertragstext verlas, hatte Radio Impacto aus Costa Rica Interviews mit Contra–Größen gesendet, die sich gegen das Abkommen aussprachen und behaupteten, nur Contra–Führer Alfredo Cesar, der einst mit den Sandinisten gegen Somoza gekämpft hatte, stehe hinter der Übereinkunft. Enrique Bermudez, militärischer Führer und legendärer Falke der Contra, erklärte: „Nie werden wir uns ergeben. Wir werden den Kampf gegen das totalitäre Unrechtssystem, die Sowjetunion, Kuba und die dort anwesenden internationalen Terroristen, solange führen, bis wir es gestürzt haben.“ Doch sicherlich wird das Abkommen nicht nur innerhalb der Contra Auseinandersetzungen zur Folge haben. Auch für viele Basis–Sandinisten, die davon ausgingen, die Regierung werde die Contra im Zollhaus von Sapoa zur Kapitulation auffordern, sind die Vereinbarungen ein schwerer Brocken. Eva von Hase–Mihalik/thos