Reagan auf Tauchstation

US–Außenminister Shultz gab sich alle Mühe, böse Miene zum guten Spiel zu machen. Man kenne die Neigung der Sandinisten zu Versprechungen, die sie später zurücknehmen könnten, sagte er am Donnerstag und schob gleich hinten nach, daß der nicaraguanische Staat durch die Übereinkunft mit den Rebellen nun auch den letzten Grund eingebüßt habe, Militärhilfe aus der Sowjetunion und Kuba zu beziehen. Das Waffenstillstandsabkommen sei vor allem ein Verdienst der Contras: „Es ist das Produkt der Entschlossenheit und Opferbereitschaft der Freiheitskämpfer in den Jahren des Kampfes, besonders ihres heldenhaften Widerstands in der vergangenen Woche gegen die sandinistische Offensive.“ Shultz mißmutige Stimmung ist halbwegs verständlich, kam ihm doch die unangenehme Aufgabe zu, die Reagan–Administration an einem Tag zu vertreten, an dem deren schlimmste Befürchtung eintrat: daß der von ihnen jahrelang mit Hunderten von Millionen Dollar geschürte kriegerische Konflikt in Nicaragua auf diplomatischem Weg eine Lösung fände. Aus dem Weißen Haus verlautete derweil nur Einsilbiges: Die Einigung, so ein anonym zitiertes Regierungsmitglied, stelle eine „völlig überraschende Entwicklung“ dar; und Reagans Sprecher Fitzwater verkündete, es bleibe viel Raum für Skepsis, der Weg zum Frieden werde noch lang sein. Auch Reagan halte es für notwendig, daß der kongreß „umge hend“ humanitäre Finanzhilfe für die Rebellen beschließe. Damit solle der Druck auf die Sandinisten aufrechterhalten und sichergestellt werden, daß sie den waffenstillstand auch befolgten. Später verlautete aus Reagans Kommandozentrum, daß der Waffenstillstandsplan nach genauerer Überprüfung genug Löcher aufweise, um „mit einem Lastwagen hindurchzufahren“. Shultz wurde gefragt, ob die Reagan–Administration nun ihr Angebot aus dem vergangenen Herbst erneuern werde, mit den Sandinisten direkte Verhandlungen aufzunehmen. Der US–Außenminister antwortete, die Administration müsse erst mit den Contras beraten, ob und wann solche Gespräche sinnvoll seien. Die jedoch, so deuten Berichte von den Verhandlungen in Nicaragua an, sind auf Washington nicht mehr allzu gut zu sprechen. Sie haben in den letzten Tagen eingesehen, daß Reagan zwar guten Willens ist, letztens aber nicht mehr die Macht ausübt, um ihnen zu neuerlicher militärischer Unterstützung zu verhelfen. Im Kongreß hingegen gab es freundlichere Worte für das Abkommen von Sapoa. Der Demokrat Jim Wright, Sprecher des Repräsentantenhauses und einer der Architekten des zentralamerikanischen Friedensplans und der Lahmlegung von Reagans Contra– Strategie im Kongreß, sprach von einer „völlig neuen Ära“. Der Kongreß werde noch vor dem Beginn der Osterpause versuchen, einen Beschluß über rein humanitäre Contra–Hilfe zu verabschieden, der „in Übereinstimmung mit den Wünschen aller Seiten in Nicaragua“ stehe. Ob die Parlamentarier sich dabei an dem in beiden Häusern vorliegenden 48 Millionen–Dollar– Paket orientieren, ist ungewiß. „Der Friedensschluß schafft völlig neue Bedingungen“, sagte Wright. Er hoffe aber, daß nun auch die Gräben zugeschüttet werden könnten, die das Thema Contra–Hilfe über Jahre im Kongreß aufgerissen habe. Einigen seiner Kollegen in der Demokratischen Partei sind mit dem Waffenstillstand in Nicaragua dicke Steine von den Herzen gefallen. Sie brauchen den Vorwurf ihrer republikanischen Gegner im bevorstehenden Kongreß–Wahlkampf nicht mehr zu fürchten, mit einem Nein zu neuer Contra–Hilfe die Antisandinisten ans Messer geliefert und damit „Nicaragua verloren“ zu haben. Die „Reagan–Doktrin“, wonach die „Freiheit Amerikas“ bis zum Panamakanal verteidigt werden muß, ist gerade dort gescheitert, wo sie von der Administration am hartnäckigsten und brutalsten verfochten worden ist: in Nicaragua. Nichts könnte dies besser unterstreichen als der erste Aufmarsch der Irangate–Angeklagten, allen voran Oliver North, vor ihrem Richter am gestrigen Tag. Ihr Kommentar zur Anklageschrift: ein einhelliges „nicht schuldig“. Stefan Schaaf