„The Waldsterben“ - Made in Great Britain

■ Greenpeace will Entschwefelungsanlagen für Kraftwerke mit den Einahmen aus Strompreiserhöhungen finanzieren

Aus London Rolf Paasch

Die abzusehende Katastrophe für die britischen Wälder durch den zunehmenden „sauren Regen“ könnte abgewendet werden, wenn nur 40 Prozent der zusätzlichen Einnahmen aus der jüngsten Strompreiserhöhung für den Bau von Entschwefelungsanlagen in Kraftwerken eingesetzt würden. So die Schlußfolgerung des im Auftrag der britischen Greenpeace–Sektion erstellten Umweltreports Energy for Life, der heute in London vorgestellt wird. Danach könnte die Schwefeldioxid– Emission durch Investitionen in Höhe von 1,7 Mrd. Pfund (rund 5,1 Mrd. DM) bis zum Jahre 1996 halbiert werden. Großbritanniens Schwefeldioxid–Emissionen waren 1986 erneut um 200.000 Tonnen auf 3.75 Mio. Tonnen angewachsen, was rund ein sechstel des europäischen Ausstoßes ausmacht. Auch nach dieser geforderten Aufstockung der 650 Mio. Pfund, die die staatliche Elektrizitätsbehörde CEGB gegenwärtig für den Bau von drei Filteranlagen ausgibt, würden die Ausgaben zur Bekämpfung des sauren Regens in Großbritannien nur einen Bruchteil der in der BRD eingesetzten Mittel ausmachen. Der Financial Times zufolge wird die BRD insgesamt 9,5 Mrd. Mark zur Säuberung der umweltverschmutzenden Kraftwerke ausgeben. Die britische Regierung hat sich bisher standhaft geweigert, zur Finanzierung der geforderten Umweltinvestitionen den Strompreis auch nur um ein Prozent zu erhöhen. Die jetzt in Kraft tretende 14prozentige Erhöhung der Elektrizitätspreise dient dagegen einzig und allein der Vorbereitung der Elektrizitätsindustrie auf ihre für die 90er Jahre vorgesehene größte Privatisierung aller Zeiten, die dem Staat rund 20 Mrd. Pfund (60 Mrd. Mark) einbringen wird. Und dies alles, obwohl eine jüngst von skandinavischen Regierungen (!) in Auftrag gegebene Meinungsumfrage ergeben hatte, daß 84 Prozent aller Briten bereit sind, eine 5–10prozentige Preiserhöhung hinzunehmen, wenn das Geld zum Umweltschutz eingesetzt würde. 89 Prozent der Befragten gaben sich „sehr“ oder „ziemlich besorgt“ über die Waldschäden durch den sauren Regen. Einer ebenfalls von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie zufolge hat „The Waldsterben“ längst kontinentale Ausmaße angenommen. Obwohl die auch für die Forschung zuständige staatliche „Forstwirtschaftskommission“, die Waldschäden jahrelang heruntergespielt hat, bestehen kaum noch Zweifel daran, daß heute bereits die Hälfte aller Laubbäume und fast 80 Prozent aller Nadelbäume Schäden aufweisen. Doch die Regierung Thatcher setzt ihre obstruktive Umweltpolitik in der EG fort. Am vergangenen Montag blockierte der britische Vertreter vor der EG–Kommission in Brüssel erneut die Bestrebungen der Europäischen Gemeinschaft, die Schwefeldioxid–Emissionen bis 1995 um 60 Prozent zu senken. Während alle anderen EG–Länder den Vorschlägen zur Verminderung des sauren Regens zustimmten, weigerten sich die Briten nicht nur, ihren Schwefeldioxid–Ausstoß um die erforderliche Menge zu verringern; sie lehnten auch die von Umweltminister Töpfer eingebrachte Forderung, die neuen Emissionskontrollen schon für Kraftwerke ab 50 Megawatt geltend zu machen, als zu kostspielig ab. Großbritannien, so schrieb die britische Zeitung The Independent daraufhin, habe seinen Ruf als „Dirty Man of Europe“ (Umweltsau Europas) mit dieser Haltung erneut bestätigt.