18 Jahre Knast für Vanunu

■ Der israelische Atomtechniker Mordechai Vanunu als Landesverräter verurteilt / Verteidigung geht in die Berufung / Kritik an Unterstützer–Kampagne im Ausland

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Mordechai Vanunu, ehemaliger Atomtechniker und „Spion für die Öffentlichkeit“, ist am Sonntag von einem Bezirksgericht in Jerusalem wegen Landesverrats zu achtzehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sein Delikt: Der frühere Angestellte der Atomforschungsanlage von Dinoma hatte Informationen über das israelische Atompotential an die Sunday Times weitergegeben. Der Schuldspruch, der bereits am Donnerstag letzter Woche erfolgte, stellte den 33jährigen auf eine Stufe mit einem Agenten, der im Dienste eines feindlichen Staates tätig ist. Der Gewissenstäter, der auf die Gefahren eines Atomkriegs in der Region aufmerksam machen wollte, wurde wegen Spionage, Hochverrat und Kollaboration mit dem Feind verurteilt. In der Urteilsverkündung hieß es ausdrücklich, die Verurteilung Vanunus bedeute nicht, daß der Inhalt der vom Angeklagten veröf fentlichten Informationen aus Tatsachen bestünde. Das Strafmaß blieb unterhalb des Antrags der Staatsanwaltschaft, die Lebenslänglich gefordert hatte. Verteidiger Awidgor Feldman will jetzt vor dem Obersten Gericht Berufung einlegen. Das sieben Monate dauernde Verfahren wurde bis zuletzt hinter verschlossenen Türen geführt. Auch das Versteckspiel mit der Presse wurde bis zum letzten Moment aufrechterhalten: Der Angeklagte wurde in einem getarnten Polizeiwagen gebracht und von der Öffentlichkeit abgeschirmt durch eine Hintertür wie ein Phantom in das Gerichtsgebäude geschmuggelt. Das gesamte Stockwerk, in dem sich der Gerichtssaal befindet, wurde abgesperrt. „Von Anfang an waren wir aus der hiesigen Gesellschaft ausgeschlossen, wurden außerhalb des Rechts gestellt und von vornherein für schuldig erklärt, falls ein schon fast nicht mehr existierender Typ überhaupt noch einen Anspruch auf einen Prozeß mit einem Urteil hat“, so Vanunu. Er war kurz nach der Veröffentlichung des Berichts in der Sunday Times vermutlich vom Geheimdienst gekidnapped und nach Israel verschleppt worden. Nach dem Schuldspruch vom Donnerstag haben 27 bekannte Wissenschaftler, darunter auch achtzehn Nobelpreisträger, an die Justiz appelliert, keine lebenslängliche Haftstrafe zu verhängen. Auch im Londoner Guardian erschien am Freitag ein Appell, der von zwanzig Organisationen aus allen Ländern unterzeichnet war, darunter Gruppen wie amnesty international oder Greenpeace. Doch Proteste und Kritik über das Urteil kommen aus dem Ausland, während die israelische Öffentlichkeit schweigt. Das Thema der atomaren Bedrohung bleibt ein Tabu. Selbst die linkssozialdemokratische Mapam–Partei zeigte sich empört über die Protestkampagne im Ausland. „Man kann Israels Interessen nicht ignorieren: Es kann ja wieder zum Krieg kommen“, heißt es im Mapam–Blatt Al Hamishmar. „Enthüllungen von Geheimnissen, die die Sicherheit betreffen, sind daher kein Dienst am Frieden, ganz im Gegenteil. Wir können den Versuch verschiedener Gruppen im Ausland, Vanunu zum Friedenshelden zu machen, nicht dulden. Und ein Mann wie Vanunu muß vorher wissen, daß er für seine Untaten zahlen muß.“