I N T E R V I E W „Kein Verständnis für die windelweiche Haltung der Kirchen“

■ taz–Korrespondent Hans Brandt sprach in Kapstadt mit Günter Verheugen, dem Südafrika–Experten der SPD, über die Möglichkeiten von Sanktionen

taz: Kann der Westen die Situation in Südafrika überhaupt noch beeinflussen? Verheugen: Davon bin ich fest überzeugt. Die BRD und die EG haben bisher Druckmöglichkeiten überhaupt nicht angewandt. Es sind weder diplomatische noch wirtschaftliche Sanktionen verhängt worden. Die Forderung innerhalb der südafrikanischen Opposition, daß es jetzt zu Sanktionen gegen die Apartheid kommen muß, ist noch sehr viel deutlicher geworden. Viele haben gesagt: Was muß bei uns noch passieren, eh bei euch was passiert. Diplomatisch wird in letzter Zeit vor allem über den Entzug der Legitimität der Apartheid–Regierung gesprochen. Unterstützen Sie diesen Gedanken? In der Tat ist diese Regierung illegitim. Nach allen Maßstäben des Völkerrechts, nach allen demokratischen Prinzipien, hat sie zwar die Macht in diesem Lande, aber sie hat keine Legitimation. Sie hat aber internationale Prestigebedürfnisse. Es ist ganz klar, daß man diese Prestigebedürfnisse nicht erfüllen darf. Das Einfachste wäre, die Botschafter, die in Pretoria akkreditiert sind, abzuziehen, die Botschaften als solche aber zu belassen. Das nächste wäre, die Botschaften der Republik Südafrika in den europäischen Hauptstädten deutlich zu reduzieren. Die Bonner Botschaft ist seit vielen Jahren verantwortlich für eine Korrumpierung der deutschen Politik durch die Einladungspraxis zu Luxusreisen nach Südafrika, für die ein politischer Preis gezahlt werden muß. Als nächstes plant Südafrika Gesetze zur Kontrolle ausländischer Hilfsmittel an Anti–Apartheid–Gruppen. Wie kann der Westen darauf reagieren? In der südafrikanischen Opposition wird erwartet, daß der Westen sofort der südafrikanischen Regierung klar macht, daß die Folge einer solchen Maßnahme die Verhängung umfassender Finanzsanktionen wäre, also das Verbot von Krediten und Anleihen nach Südafrika. Auch zwischen Staat und Kirche in Südafrika ist es zu Konfrontationen gekommen. Was sagten Ihnen Kirchenvertreter dazu? Nach den jüngst verhängten Restriktionen bilden die Kirchen die vorderste Front der Auseinandersetzung. Hinter den Kirchen kommt nichts mehr. Ich halte es für wahrscheinlich, daß die Kirchen das nächste Angriffsziel sind. Es wird von der katholischen und der evangelischen Kirche in der BRD erwartet, daß sie nun endlich auch einmal wirklich versuchen, Einfluß zu nehmen auf die politischen Entscheidungen in diesem Bereich. Ich habe kein Verständnis für die windelweiche Haltung der Kirchen in der BRD. Die südafrikanischen Kirchen, die im Kirchenrat vertreten sind, haben enge Beziehungen zur EKD. Ich halte es nicht für möglich, daß die evangelische Kirche sich hier mit Denkschriften und Stellungnahmen begnügt. Sie muß jetzt wirklich in der Öffentlichkeit massiv werden und sehr konkret sagen, was sie von der Politik verlangt.