Gerangel um Kontrollen bei Atomlagern

■ Für sieben Spaltstofflager fehlen Kontrollvereinbarungen / Sowjetische Kritik an Euratom: fehlende Vereinbarung „schockierend“ Bonner Forschungsministerium schiebt Schuld auf internationale Kontrollbehörde / Bundesrepublik versuche, Kontrollen einzuschränken

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Für sieben von insgesamt neun Spaltstofflagern in der Bundesrepublik gibt es bisher noch keine Kontrollvereinbarung, die die Inspektionen durch die Atomagenturen IAEO und Euratom im einzelnen regelt. Bisher war in der Öffentlichkeit nur bekannt, daß eine entsprechende anlagenspezifische Vereinbarung (“facility attachment“) für das bundeseigene Plutoniumlager in Hanau fehlt. Aus dem jüngsten Jahresbericht der IAEO geht jedoch hervor, daß sich die Atomagenturen auch für sechs weitere Lager in der Bundesrepublik bisher auf keinen Kontrollmodus einigen konnten; unter anderem gilt dies für eine Halle mit angereichertem Uran bei Transnuklear, ein Lager für bestrahlte Brennelemente in der Kernforschungsanlage Jülich, Uranhexafluorid–Lager der Lingener Exxon Nuclear sowie der Transnuklear in Lleese und für ein Lager mit abgebrannten Brennelementen des Forschungsreaktors II in Karlsruhe. Das Verifikationsabkommen zum Atomwaffensperrvertrag sieht vor, daß die Inspektionstätigkeit für jede Atomanlage in einer gesonderten Kontrollvereinbarung festglegt wird, die zwischen IAEO und Euratom ausgehandelt werden muß. Bisher war bereits durch US–Quellen im Fall Alkem bekannt, daß die IAEO auf häufigere Kontrollen drängt als die europäische Euratom mit der Bundesregierung an ihrer Seite. Bei Gesprächen, die kürzlich ein Mitarbeiter der Grünen im Bundestag in Moskau führte, bestätigte jetzt auch die sowjetische Seite diese Sicht der Verhandlungsprobleme: Der langjährige ehemalige IAEO–Beamte Vladimir Fortakov, der heute im sowjetischen „Staatskomitee für die friedliche Atomenergienutzung“ mit der IAEO–Tätigkeit befaßt ist, bezeichnete das Fehlen der Kontrollvereinbarungen als „schockierend“. Die Schuld daran trage nach seiner Kenntnis überwiegend Euratom. Während nach Darstellung der Bundesregierung die Inspektionen ohne Kontrollverein barung genauso effektiv sind, sagte Fortakov, dies treffe in der Praxis nicht zu: über die Kontrollen müsse in jedem Einzelfall mit den Betreibern neu verhandelt werden; die Inspektionen seien so wesentlich schwieriger zu planen. Die Sowjetunion hatte schon in der Vergangenheit die abwehrende bundesdeutsche Haltung gegenüber der IAEO kritisiert. Anläßlich der dritten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags 1985 ordnete der „Wissenschaftliche Rat für Friedens– und Abrüstungsforschung“ die Bundesrepublik unter den Ländern ein, „die versuchen, die Rechte und Möglichkeiten der Agentur bei der Kontrolle der nuklearen Tätigkeit einzuschränken“. Dies sei eine „gefährliche Tendenz“. Das Forschungsministerium in Bonn, das bei den Verhandlungen über die Kontrollen beratend mitwirkt, gibt dagegen überwiegend der IAEO die Schuld daran, daß sich diese Verhandlungen so langwierig gestalten. Ein Mitarbeiter des für Spaltstoffkontrolle zuständigen Ressorts, Gerstler, erklärte dazu, die IAEO stelle „Maximalforderungen“. Streitpunkt sei zum Beispiel, wie oft ein versiegelter Materialposten in einem Lager, dessen Ausgang per Kamera überwacht wird, kontrolliert werden müsse. Gegen eine häufigere Verifizierung sprächen in solchen Fällen Belange des Strahlenschutzes.