Kriminell mit Blutgruppe B?

■ Ein Kommentator der FAZ stellte Zusammenhang von Kriminalität, Blutgruppe B und polnischer Abstammung her / Ein polnischer Korrespondent fragte genauer nach und brachte ihn in Verlegenheit

Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Nordrhein–Westfalens Innenminister Herbert Schnoor (SPD) war schier fassungslos über den „gefährlichen Unsinn“, den ein Leitartikler ausgerechnet jener Frankfurter Tageszeitung verbreitet hatte, hinter der laut Eigenwerbung „immer ein kluger Kopf steckt“. Auf der Frontseite der Faz hatte Kommentator Klaus Natorp seine düsteren Visionen von einer Überfremdung der Deutschen mit einer angeblichen Expertise nordrhein–westfälischer Polizeibehörden belegt, daß in den Adern polnischer Aussiedler nachweislich kriminelles Blut fließe. Während die bundesdeutsche Presse den deutschtümelnden Kommentar Natorps bis auf wenige Ausnahmen vornehm totschwieg, wollte der Bonner Korrespondent der polnischen Zeitung Trybuna Ludu, Daniel Lublinski, von der Düsseldorfer Landesregierung genau wissen, „ob die Polizei ihres Landes tatsächlich Blutuntersuchungen bei Straftätern durchführt und diese im Kontext nationaler Zugehörigkeit der Delinquenten auswertet“. Vor allem wollte Lublinski erfahren, was es auf sich hat mit der „potentiellen Kriminalität in polnischen Adern“, wobei er gleich offenbarte, daß er der Blutgruppe A angehöre. Faz–Leitartikler Natorp hatte in einem Kommentar in der Ausgabe vom 6.Februar dieses Jahres wieder einmal über das mögliche Aussterben der Deutschen philosophiert und besorgt davor gewarnt, daß aus einem „Rinnsal“ von osteuropäischen Aussiedlern „nicht ein reißender Strom“ werden dürfe. Dabei tischte der Kommentator seinen Lesern eine geradezu ungeheuerliche Geschichte auf: „Vor einigen Jahren fiel Kriminalbeamten im Ruhrgebiet auf, daß überdurchschnittlich viele Straftäter die Blutgruppe B hätten. Liegt etwa Menschen mit der Blutgruppe B Kriminalität im Blut? Das Rätsel löste sich, als man herausfand, daß es sich bei den Straftätern um Nachfahren polnischer Einwohner handelte, die im vorigen Jahrhundert als Bergleute in den Kohlenpott gekommen und dort geblieben waren.“ Innenminister Schnoor verwahrte sich in seinem Antwortschreiben an die Trybuna Ludu ganz entschieden dagegen, daß dieses dumm–dreiste Geschwätz dieser angeblich so klugen Zeitung auf Erkenntnissen der nordrhein–westfälischen Polizei beruhe. Die sich zunehmend nationalistischer gebärdende FAZ habe hier in einer „dumpf–verquasten Art“ Stimmung gegen einen Teil unserer deutschen Bürger gemacht und dabei die Gefühle des polnischen Volkes verletzt, befand Schnoor, der erst durch den polnischen Korrespondenten Lublinski auf das Faz–Machwerk aufmerksam geworden war. Der in dem Kommentar „angesprochene Zusammenhang zwischen einer bestimmten Blutgruppe, nationaler Herkunft und einer verstärkten Kriminalitätsneigung ist absurd und weder aus kriminologischer Sicht noch unter sonstigen Aspekten diskussionsfähig“, erklärte der Innenminister. Zuvor hatte Schnoor nach den Angaben seines Sprechers Reinhart Schmidt–Küntzel über das Landeskriminalamt recherchieren lassen, ob nicht möglicherweise doch auf irgendeiner Polizeistelle in Nordrhein–Westfalen eine Studie über die Kriminalität polnischer Einwanderer existiere. „Wir konnten ja auch nicht sicher sein, ob da nicht möglicherweise ein alter rechtsextremer Polizist in eigener Regie irgend so ein Papier verfaßt hat“, sagte Schmidt–Küntzel der taz. Doch die LKA–Fahnder konnten nichts finden. Auch ihre Befragungen des Faz–Autors ergaben Fehlanzeige: „Die sind einfach weggetaucht. Keinerlei Rückmeldung“, erklärte der Schnoor–Sprecher. FAZ–Leitartikler Natorp erklärte auf Anfrage lediglich, daß es sich bei seiner dubiosen Quelle um einen „berühmten Polizeipsychologen“ handele, den er jedoch nicht namentlich nennen wolle, „um ihn nicht in Schwierigkeiten zu bringen“. Da solle der Düsseldorfer Innenminister „halt selbst rauskriegen, wo das herkommt“. Im übrigen liege diese Studie nun auch schon einige Jahre zurück. Er habe dieses Beispiel aber „ganz lustig gefunden, um zu erläutern, wie schwer Integration heute ist“, verteidigte Natorp seine Thesen. Gewiß habe es auch Leute in seiner eigenen Redaktion gegeben, „die das offenbar nicht so lustig fanden“, räumt er ein; aber: „Mit Rassismus hat dies doch alles nichts zu tun.“ Schuld an möglichen Mißverständnissen über seinen langen Leitartikel sei vermutlich die Kürze: „In 164 Zeilen können Sie ja gar nicht alles so ausbreiten, was sie eigentlich erläutern wollen.“