Durchsuchungen wegen „Anarchie“

■ Wegen eines Artikels in der Schrift Die Anarchie wurden mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt / Ein Spitzel des Verfassungsschutzes soll dahinter stecken / „Dem bewaffneten Kampf das Wort geredet“

Von Felix Kurz

Mannheim/Heidelberg (taz) - In Mannheim und Heidelberg durchsuchten gestern Polizeibeamte zwei Buchhandlungen und zwei Privatwohnungen. Der Grund: In der Druckschrift Die Anarchie Nr.14 soll für die RAF geworben worden sein. Thommi Herrwerth, Geschäftsführer des „Anderen Buchladen“ in Mannheim und Heidelberg, sah sich am Dienstag morgen in seiner Wohnung einem zehnköpfigen Kommando aus Beamten des Landeskriminalamtes und dem Polizeipräsidium Mannheim gegenüber. Er sei verdächtigt, so lautete der Durchsu chungsbeschluß des Ermittlungsrichters am Stuttgarter Oberlandesgericht, „in Kenntnis des Inhalts“ an der Verbreitung des Druckwerks Die Anarchie „mitgewirkt“ zu haben. Und, so der Richter, die Erfahrung lasse vermuten, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Insbesondere versprach man sich Aufschluß über die „Verfasser, Hersteller (Drucker) und Verbreiter der Schrift“. Gefunden wurde jedoch nichts. Aus der Heidelberger Dependance des linken Buchhändlers ließen die Beamten dagegen einen Ordner über die Beschäftigungszeiten von Aushilfen mitgehen. Rund zwei Stunden ruhte in Hei delberg der Geschäftsbetrieb. Der dortige Angestellte wurde zur erkennungsdienstlichen Behandlung in das Heidelberger Polizeipräsidium mitgenommen. Thommi Herrwerth ereilte das gleiche Schicksal in Mannheim. Nach Angaben des ermittelnden Stuttgarter Oberstaatsanwaltes, Karl–Heinz Kurz, habe man in der Wohnung des presserechtlich Verantwortlichen der hektografierten Druckschrift „einiges Material sichergestellt“. Ausgelöst hatte die Aktion offenbar ein Spitzel des Verfassungsschutzes. In Harnisch brachte die Behörden ein Artikel auf der Seite 7 der Ausgabe Nr.14. Dort sei ein Artikel abgedruckt, „dessen Inhalt dazu bestimmt erscheint, für Ziele und Zwecke der terroristischen Vereinigung RAF zu werben“. Darin würden zwar die Morde an der Startbahn West als „individualistische Aktionen“ kritisiert, gleichzeitig aber werde dem kollektiven revolutionären und bewaffneten Kampf gemeinsam mit der RAF das Wort geredet. Der Text ende unter anderem mit dem Aufruf „Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand“ und „Gemeinsam den Durchmarsch der Konterrevolution stoppen!“ Der presserechtlich Verantwortliche der Druckschrift ist in Heidelberg bekannt. Der 61jährige gilt dort als Original.