Alternativ–Zeitung Mladina der Konterrevolution beschuldigt

Belgrad (taz) - Schlimmste Befürchtungen werden in Jugoslawien laut, nachdem gestern erstmals der Reformkurs in Slowenien mit einer „Konterrevolution“ verglichen wurde. „Die Kritik (aus Ljubiljana) kommt einer Konterrevolution gleich“, titelte die Parteizeitung Borba. In der kommunistischen Sprachregelung wurde bisher immer sorgfältig zwischen „antisozialistisch“ und „konterrevolutionär“ unterschieden. Der Begriff „Konterrevolution“ wurde bisher nur drei Mal gebraucht: 1971 bei den nationalistischen Unruhen in Kroatien, 1981 bei dem Albaneraufstand in Kosovo und eben gestern. Die beiden ersten Male beendete der Einsatz von Panzern die „Konterrevolution“. Wird so auch der slowenische Frühling enden? Dafür könnte sprechen, daß während Gorbatschows Besuch für den slowenischen Weg die erhoffte Schützenhilfe aus Moskau ausblieb. Zwar wurde erst am Dienstag mit 154 zu 28 Stimmen der Diplomat Janez Stanovik von der „Sozialistischen Allianz“ zum Präsidenten des Teilstaates gewählt und damit der Kurs der Demokratisierung unter Beweis gestellt. Die unterlegene Gegenkandiatin, die unabhängige Journalistin, Frau Drcar–Murco, freute sich sogar darüber, daß im Fernsehen ein regelrechter Wahlkampf stattfinden konnte und daß trotz ihrer Niederlage Jugoslawien „einen beträchtlichen Schritt“ nach vorn getan habe. Pessimisten jedoch sehen die Bedrohung aus Belgrad wachsen: Der oberste Bundesstaatsanwalt Milos Bakic hat gegen die Herausgeber der Alternativzeitschrift Mladina Anklage erhoben. Dieses in einem kommunistischen Land einzigartigen Blatt, das unabhängige Autoren über brisante Themen schreiben läßt, soll nicht von der lokalen Staatsanwaltschaft, wie es seit 1945 in Jugoslawien üblich war, sondern von der Zentrale aus unter die Lupe genommen werden. Und die Parteizeitung Borba forderte auch noch unverblümt Bakic auf, die „staatsfeindliche Kampagne aus Slowenien zu beenden“. „Wenn die Zentrale aber den lokalen Behörden die Kompetenzen bestreitet, ist das ein Angriff auf die slowenische Autonomie“, erklärte ein slowenischer Oppositioneller der taz. Roland Hofwiler