„Lafontaine schont das Kapital“

■ IG Metall kritisiert Vorschläge zum Lohnverzicht für Besserverdienende

Von Martin Kempe

Sprockhövel (taz) - Die Industriegewerkschaft Metall hat in einem Positionspapier des Vorstands heftige Kritik an dem saarländischen Ministerpräsidenten Lafontaine geübt, der während der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich für Besserverdienende zugunsten zusätzlicher Einstellungen von Arbeitslosen gefordert hatte. „Die beschäftigungspolitische Solidarität mit den Arbeitslosen“, so heißt es in dem Papier, „soll durch die verteilungspolitische Schonung des Kapitals ermöglicht und erleichtert werden“. Die bis her von den Gewerkschaften verfolgte Strategie der Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich ist nach Meinung der IG Metall durchaus mit einem Lohnverzicht der Beschäftigten verbunden. Allerdings besteht der Verzicht nicht in Lohnminderung, sondern in entgangenen Lohnzuwächsen. Ohne die Arbeitszeitverkürzung bei reinen Lohnforderungen könnten die Löhne und Gehälter seit 1981 um rund neun Prozent mehr angestiegen sein als es tatsächlich der Fall gewesem ist. Die Gewerkschaften setzen ihre Lohnforderungen immer aus den Komponenten Inflationsausgleich, Produktivitätsgewinn und Umverteilung zusammen. Der Vorschlag Lafontaines laufe auf einen Verzicht auf die Umverteilung des Volkseinkommens zugunsten der abhängig Beschäftigten hinaus. Eine solche Umverteilung ist den Gewerkschaften allerdings in den letzten Jahren ohnehin nicht gelungen. Statt eines Lohnverzichts für Besserverdienende, die in den Zuständigkeitsbereich der gewerkschaftlichen Tarifpolitik fallen würde, fordert die IG Metall eine Ergänzungsabgabe für alle Bezieher überdurchschnittlicher Einkommen und eine Arbeitsmarktabgabe für Freiberufler und Beamte. Siehe Seite 4 und 5