CDU–Mittelstand gegen Blüm

■ CDU soll Ziel der Vollbeschäftigung aufgeben / Vorstoß der Mittelstandsvereinigung zum kommenden Bundesparteitag / Verkürzung der Wochenarbeitszeit sei „schlicht beschäftigungsfeindlich“

Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Das angestrebte Ziel einer Vollbeschäftigung in der Bundesrepublik muß nach Auffassung der nordrhein–westfälischen CDU– Mittelstandsvereinigung von der unionsgeführten Bundesregierung umgehend aufgegeben und aus dem Parteiprogramm gestrichen werden. Dies geht aus einem parteiinternen „Thesenpapier“ des Landesvorsitzenden der nordrhein–westfälischen CDU–Mittelstandsvereinigung, Hansheinz Hauser (Krefeld), hervor, das der taz am Donnerstag in Düsseldorf bekannt geworden ist. Danach wollen die zu einer der einflußreichsten Parteivereinigungen zählenden Mittelständler auf dem kommenden CDU–Bundesparteitag einen Vorstoß unternehmen, die in dem Entwurf für ein neues CDU–Grundsatzprogramm enthaltene Forderung zu streichen, „am Ziel der Vollbeschäftigung festzuhalten“. Statt dessen strebt die Mittelstandsvereinigung des von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm geführten CDU–Landesverbandes lediglich das „Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes“ an. Die von CDU–Generalsekretär Heiner Geißler in dem Programmentwurf „Das christliche Menschenbild als Grundlage unserer Politik“ propagierten Ziele der Vollbeschäftigung setze die unionsgeführte Bundesregierung nach Meinung der CDU–Mittelständler einem „Erwartungsdruck“ aus, dem sie nicht gerecht werden könne. „Andererseits erleichert eine so nicht realisierbare Forderung dem politischen Geg ner das Geschäft, weil er ständig darauf hinweisen kann, das programmatische Ziel sei ja noch immer nicht erreicht. Solche selbstgelegten Fußangeln sollten in politischen Aussagen der Union vermieden werden“, fordert die CDU–Mittelstandsvereinigung. Der als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU–Bundestagsfraktion und Vize–Vorsitzender der Bundes–Mittelstandsvereinigung zu den führenden Unionspolitikern zählende Krefelder Bäckermeister Hauser verlangt darüber hinaus in einem ergänzenden Papier zur „neuen Dimension in der Arbeitsmarktpolitik“, daß „bestimmte soziale Errungenschaften“ der Arbeitnehmer „auf den Prüfstand“ gestellt werden müßten: „Wir müssen prüfen, ob bestimmte soziale Schutzmaßnahmen und Sozialleistungen zur Arbeitslosigkeit vieler Menschen führen. Wenn das so ist, dann sind diese Schutzmaßnahmen und Leistungen nicht sozial, sondern scheinsozial“, schreibt Hauser. Dasselbe gelte für die zwischenzeitlich auch in Teilen der Union geforderten Wochenarbeitszeitverkürzungen. Wer Arbeitszeit verkürze, egal ob mit oder ohne vollen Lohnausgleich, erhöhe die Arbeitskosten; und dies sei „schlicht beschäftigungsfeindlich“. Ferner bekämpft die CDU–Mittelstandsvereinigung in ihrem „Thesenpapier“ die von Geißler, Blüm und Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth geforderte materielle Verbesserung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs. Die Bonner Regierungskoalition habe „nicht umsonst“ einen Verzicht auf kostenwirksame Leistungsgesetze für die Dauer von zwei Jahren beschlossen. Weiter heißt es wörtlich in dem Papier der CDU–Mittelstandsvereinigung: „Wenn die Regierungspartei CDU die Forderung nach weitergehenden Leistungen trotz dieses Beschlusses stellt, so bringt sie sich damit in Gegensatz zu der von ihr getragenen Regierung; zugleich verzichtet sie auf die Möglichkeit des Nachweises, Sozialpolitik wieder stärker am Augenmaß wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu orientieren.“ Die Forderungen nach materiellen Verbesserungen der Sozialleistungen in der Familienpolitik seien „Wunschdenken und nicht am sachlich Vertretbaren ausgerichtet“.