I N T E R V I E W „Wir müssen unser Verfahren ändern“

■ Der nordrhein–westfälische Innenminister Schnoor zur Anfrage von Mannesmann beim Verfassungsschutz

taz: Herr Minister Schnoor, ist es richtig, daß bei der Mannesmann Ag und ihren Tochterfirmen sämtliche BewerberInnen vom Verfassungsschutz überprüft werden? Schnoor: Das ist absolut ausgeschlossen. Bei dem von Monitor aufgegriffenen Fall der Mannesmann Datenzentrale in Ratingen– Lintorf haben wir 1987 von 300 Bewerbern lediglich 80 überprüft. Und zwar haben wir nur in die Akten geschaut, nicht observiert oder kontrolliert. Was war der Anlaß der Untersuchungen? Die Anfrage des Unternehmens. Wir haben nach dem Verfassungsschutzgesetz eine Pflicht zur Mitwirkung bei dem sogenannten personalen Sabotageschutz. Das gilt für Betriebe, die für die Versorgung der Bevölkerung besonders wichtig sind. Welche Betriebe rechnen Sie dazu? Nun, man kann sagen, daß in der modernen Industriegesellschaft von der Brotfabrik bis zum Wasserwerk alle darunter fallen. Aber das geht natürlich nicht. Das geht zu weit! Wir haben in NRW eine Handvoll Betriebe ausgewählt, die dazugehören. Was halten Sie von dem Vorwurf des Mannesmann–Betriebsrats, das Unternehmen und der Verfassungsschutz betrieben Heimlichtuerei? Das ist in der Tat ein Problem, denn den betroffenen Bewerbern und dem Betriebsrat ist von keiner Seite mitgeteilt worden, daß der Verfassungsschutz sich mit ihnen beschäftigt. Wie steht es in diesem Fall mit dem Persönlichkeitsrecht? Einerseits hat der Bürger insbesondere nach dem Volkszählungs–Urteil einen Anspruch darauf, zu wissen, ob jemand Daten über ihn verteilt oder sich nach ihm erkundigt. Andererseits müssen aber auch die Unternehmer berücksichtigt werden. Sie haben Anspruch darauf, daß ihre Gefährdungsbereiche nicht offenbart werden. Wie haben Sie sich denn bisher in diesem Zwiespalt verhalten? Ich habe mich wie alle anderen Innenminister auch für die Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen und gegen den Persönlichkeitsschutz entschieden. Wir müssen aber zu einer Überprüfung unseres bisherigen Verfahrens kommen. In dieser Hinsicht habe ich bereits Anordnungen getroffen. Was würden Sie ändern? Der Betriebsrat müßte verständigt werden. Die Bewerber, die tatsächlich eingestellt werden und wissen, daß sie in einem sicherheitsempfindlichen Bereich arbeiten werden, sollten informiert werden. Dies ist aber Sache der Unternehmen. Inwieweit untersteht Ihre Handhabung des Verfassungsschutzgesetzes Entscheidungen des Bundes? Unser Landesgesetz beruht auf Vorgaben des Bundesrechts. Es muß novelliert werden, weil es nicht mehr ganz den Anforderungen des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Der Bund müßte dringend ein Geheimschutzgesetz vorlegen, in dem Klarheit geschaffen wird über Sicherheitsüberprüfungen im öffentlichen und im privaten Bereich. Denn die Entscheidung zwischen Persönlichkeitsrecht und Geheimhaltung von Unternehmensinterna greift auch in Grundrechte ein. Das kann nicht die Entscheidung eines einzelnen Ministers sein. Wie ist Ihre persönliche Meinung über die Anwendung des Verfassungschutzgesetzes in NRW? Wir könnten von unseren Prüfungen mehr offenbaren, aber nur in Konsens mit den Unternehmen und dem Gesetzgeber. Übrigens habe ich angeordnet, daß unser Überprüfungsverfahren auf seine Effizienz untersucht wird, d.h. ob es überhaupt sinnvoll ist, was wir hier machen. Interview: Anne Weber