Gegen die Furie des Verschwindens

■ Ursula Penselin und Ingrid Strobl nach vier Monaten Haft wegen Paragraph 129 a / Von Oliver Tolmein

Kurz vor Weihnachten wurden Ursula Penselin und Ingrid Strobl verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, der „Roten Zora“ beziehungsweise den „Revolutionären Zellen“ angehört zu haben. Entscheidendes Indiz gegen Ingrid Strobl: Sie soll einen Wecker gekauft haben, der angeblich bei einem Anschlag auf die Lufthansazentrale benutzt wurde. Eine gerade erschienene Broschüre mit Texten der beiden Gefangenen will dazu beitragen, daß sie nicht „vergessen“ werden.

Am 12.April will Edith Lunnemann, die Verteidigerin von Ingrid Strobl, Akteneinsicht bei der Bundesanwaltschaft haben. Ob sie ihr gewährt wird, ist derzeit aber noch offen. Zwar wird ihr und den Anwälten Wächtler und Jacobi (der Ulla Penselin vertritt) seit einiger Zeit bedeutet, in absehbarer Zeit würde Anklage erhoben und Akteneinsicht gewährt. Gegenüber der taz erklärt der Sprecher der Bundesanwaltschaft Prechtl aber: „Das ist ein Gerücht.“ Derzeit seien die Akten noch beim Bundeskriminalamt, das noch mit Ermittlungen beschäftigt sei. Welcher Art diese Ermittlungen sind, ob es eine Spur gibt oder was noch aufgeklärt werden muß, wollte Prechtl nicht mitteilen: „Alles mögliche ist da noch zu erledigen. Das ist alles eingebettet in den 129 a, und wir müssen das Ganze im Zusammenhang sehen und aufklären.“ Zwar will man - so Prechtl - nicht warten, bis die Bundesanwaltschaft alle, die sie für Mitglieder der „Roten Zora“ hält, hinter Gittern hat, aber: „Wir müssen eine für sich ergiebige Gruppe ausermitteln.“ Rechtsanwalt Jacobi, dessen Beschwerde gegen die Fortdauer der Haft mittlerweile abgelehnt ist, nennt das Vorgehen von Bundesanwaltschaft und Polizei einen Skandal. Seit nahezu vier Monaten sitze seine Mandantin unschuldig in Haft. Bei der Anklageerhebung sehe es nicht besser aus, und unterdessen gehen die Monate ins Land. Wenig erfreuliche Neuigkeiten gibt es auch bei den Haftbedingungen. Zwar sind die Hafterleichterungen für Ulla Penselin und Ingrid Strobl über eine Woche, nachdem sie verfügt worden sind, endlich in Kraft getreten. Weiterhin besteht aber strenges Kontaktverbot zwischen den beiden und anderen 129 a–Gefangenen. Ulla Penselin darf daher keinen Kontakt mit Barbara Ernst aufnehmen, die im gleichen Knast sitzt: „Das Durchbrechen dieses Schweigens zieht Disziplinarstrafen wie Sperrung des Hofgangs nach sich“ berichtet sie in einem Brief. Ingrid Strobl schreibt Ende März: „Alle wußten schon von dem Hafterleichterungsbeschluß - die AnwältInnen, die taz, auch die JVA, nur ich habe nichts davon erfahren. Ich hab jetzt also Hofgang mit den anderen, kann an den unsäglichen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Gottesdienst, Gesprächsrunde mit dem Pfarrer und Basteln teilnehmen (was ich nicht tue); und bei „Aufschluß“ (ca. anderthalb Stunden pro Tag) und „Umschluß“ (je zwei Stunden am Wochenende) mit den anderen Frauen zusammensein. Was sich „Fernsehen“ nennt, ist nichts anderes als das Beglotzen von je einem Videofilm am Samstag und Sonntag, alternativ zum Hofgang. Da ich die Bewegung an der frischen Luft dringend brauche, und die Filme, die zur Auswahl stehen, nicht gerade aus der Cinemathek kommen, gehe ich also in den Hof. Falsch ist die Information über die Besuche. Die laufen immer noch mit Trennscheibe, ich werde dafür auch noch immer gefesselt im Konvoi nach Stadelheim gekarrt. Beim letzten Besuch waren zu allem Überfluß auch noch zwei LKAler dabei, einer wie immer auf der Seite der Besucherin, einer quetschte sich noch zwischen mich und die Wärterin auf meiner Seite. Damit war der Besuch praktisch gelaufen, da zwei Typen simultan bei jedem neuen Wort den Griffel zückten, was der Kommunikation nicht gerade dienlich ist .. Ansonsten habe ich jetzt die Schreibmaschine, aber ich darf nur bis 18 Uhr tippen. Der Kontakt mit den anderen Frauen ist natürlich eine Erleichterung, nur politisch bin ich halt noch immer total isoliert. ich merke immer mehr, wie mir das fehlt.“