Bis zu 160 Tonnen Öl in der Elbe

■ Die Folgen des Ölunfalls in der Elbe sind kaum abschätzbar / Zigtausend Vögel in Gefahr / Unfallhergang liegt nach wie vor im Dunkeln / Umweltverbände werfen Behörden Unfähigkeit und Kompetenzwirrwarr vor

Berlin (taz/dpa) - Fünf Tage nach der Kollision zweier Frachtschiffe auf der Elbe bei Brunsbüttel lag der Unfallhergang am Donnerstag nach wie vor im Dunkeln. Nach Angaben eines Sprechers der Hamburger Wasserschutzpolizei befindet sich das Leck des Havaristen „Heinrich Heine“ (DDR) „auf der falschen Seite“. Die Behörden untersuchen weiter, welches Manöver zu der Kollision geführt haben könnte. Ebenfalls ungeklärt ist nach wie vor, wieviel Schweröl nach dem Zusammenstoß in die Elbe gelaufen ist. Zunächst war von 60 Tonnen ausgegangen worden, inzwischen spricht das Wasser– und Wirtschaftsamt Cuxhaven von bis zu 160 Tonnen. Unterdessen haben sechs Umweltverbände in einer gemeinsamen Erklärung den Behörden „Kompetenzwirrwarr und Unfähigkeit“ bei der Beseitigung der unnmittelbaren Ölschäden vorgeworfen. Mit „viel publizistischem Aufwand“ seien die Fähigkeiten moderner Ölbekämpfungsschiffe „vorgeführt“ worden, während sich das Öl schon „längst nicht mehr auf der Elbe, sondern am Ufer der nahegelegenen Naturschutzgebiete am Rande des Wattenmeeres“ befunden habe. Dort werde das Öl viel zu langsam von den Salzwiesen weggeräumt. Die große private Hilfsbereitschaft laufe wegen mangelnder Koordination unter den vielen zuständi gen Stellen ins Leere. Es hätte schon viel geholfen, wenn 100 freiwillige Helfer mit Spaten ausgerüstet worden wären. Das für solche Katastrophen ausgebildete technische Hilfswerk sei nichtmal eingeschaltet worden, monieren die Umweltverbände. Der Leiter der Hamburger Wasserschutzpolizei und Polizeidirektor, Karl Nehmzow, bezeichnete den allgemeinen Sicherheitsstandard der Elbe als „top“ und wies Forderungen von Parteien und Umweltschützern nach zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen zurück. 65.000 Fahrzeuge passierten jährlich den fraglichen Teil der Elbe, 1987 habe es nur neun Kollisionen gegeben, 1986 waren es 14. Die Folgen des Ölunfalls sind noch kaum abschätzbar. Während die Behörden am Mittwoch „die Reinigungsarbeiten bis spätestens Freitag erledigt“ haben wollten, fürchten Naturschützer insbesondere um die Seevögel. Bis Mittwoch nachmittag waren zwar „nur“ 220 tote Vögel gefunden worden. In Gefahr sind jedoch auch zigtausend Vögel, die auf ihrem Flug nach Norden an der Unterelbe ausruhen. Sie werden nicht vor Ort verenden, sondern weiterziehen und möglicherweise woanders durch vergiftete Wattwürmer und verklebtes Gefieder sterben. gero