I N T E R V I E W „Islamische Revolution gegen die Gottlosen entwickelt sich“

■ Ayatollah Assef Mohseini ist Anführer der größten der vom Iran aus operierenden schiitischen Guerillaorganisationen Afghanistans

Wer sich in Hamburg mit Ayatollah Assef Mohseini, 52, trifft, vermutet kaum, daß hinter diesem Mann etwa ein Viertel des afghanischen Volkes steht - zumindest nach seinen Angaben. Er tritt in einem kleinen Einfamilien–Backsteinhäuschen auf, das zwar an einer sechsspurigen Ausfallstraße liegt, von außen aber dennoch eher an das heimelige Ambiente einer Land–WG erinnert. Gar nicht mehr alternativ sind allerdings die feierlichen Gesichter etwa eines Dutzends seiner Kampfgefährten aus der schiitischen Widerstandsorganisation, deren Gründer und Führer der Ayatollah ist. Ehrfürchtig erheben sich die zum Teil in traditionelle Gewänder gekleideten Männer bei seiner Ankunft. Die taz befragte den Ayatollah zum Rückzug der sowjetischen Truppen und den aktuellen Verhandlungen in Genf, an denen er allerdings nicht teilnimmt. taz: In Genf wird derzeit überlegt, nach dem Abzug der sowjetischen Truppen den Iran zur Garantiemacht für ein Abkommen zu machen. Mohseini: Ich bin prinzipiell gegen die Genfer Verhandlungen, weil die eigentlichen Kampfpartner nicht daran beteiligt sind - die afghanischen Freiheitskämpfer und die Russen. Und was immer die pakistanische Regierung und die afghanische Marionettenregierung dort aushandeln, ist für uns nicht annehmbar. Jeden Beschluß, der in meiner Abwesenheit gefällt wird und der sich gegen die Interessen des afghanischen Volkes richtet, werde ich nicht akzeptieren - auch wenn die anderen sieben Organisationen (die mit Pakistan zusammenarbeitenden sunnitischen Gruppen, d. Red.) dies tun. Welche Bedingungen stellen Sie denn für einen Friedensabschluß? Vorbedingung für alles sind direkte Verhandlungen zwischen Freiheitskämpfern und Russen. Wen zählen Sie dazu? Die sieben Gruppen in Pakistan verhandeln. Ich zähle alle dazu. Die UdSSR wird ihre Truppen - wahrscheinlich zum 15.Mai - abziehen. Zufrieden? Auf den Russen ist kein Verlaß. Für uns spielt es zudem auch keine Rolle, ob die russischen Truppen aus Afghanistan abziehen. Wenn wir deren Abzug verlangen, meinen wir auch das Verschwinden des russischen Einflusses. Die derzeitige Regierung müßte vollständig abgesetzt werden? Wenn auch nur ein einziger kommunistischer Minister bleibt, werden wir das nicht hinnehmen und begreifen das als Überbleibsel der russisch–imperialistischen Hegemonialpolitik. Der bewaffnete Kampf geht dann weiter? In diesem Sinne werden die Kämpfe dann weitergehen. Wir werden die Waffen nicht niederlegen, bis der letzte Kommunist weg ist. Wie wärs denn mit freien Wahlen nach dem Abzug? Derzeit gibt es keine Voraussetzung für freie Wahlen, weil sich fünf Millionen Flüchtlinge außerhalb des Landes aufhalten und ein Großteil der Bevölkerung sich als interne Flüchtlinge irgendwo im Land aufhält. Stattdessen? Ich bin für eine provisorische Regierung zwischen allen Gruppen beider Richtungen der Freiheitskämpfer (im Iran bzw. Pakistan, d. Red.), sofern sie trotz der Unterschiede zusammenkommen sollten. Die müßte man als Übergangsregierung für zehn Monate oder ein Jahr installieren - jedenfalls solange, bis die Russen und die russischen Einflüsse verschwunden sind. Wie hätten Sie denn den neuen Staat Afghanistan gerne? Es soll eine islamische Staatsform sein, weil 99 Prozent der Afghanen dem Islam angehören. Die Gesetzesgrundlage wäre also, wie im Iran, der Koran. Im Unterschied zum Iran sollen bei uns beide Konfessionen in Betracht gezogen werden, die sunnitische und die schiitische. Basis des islamischen Rechts sind der Koran und die Suren. Sie wollen eine islamische Revolution. Ja, und die entwickelt sich hier seit neun Jahren, in denen sie sich gegen die Gottlosen durchsetzt. Den Tee trank mit dem Ayatollah Axel Kintzinger