Nachrichtenorgie über die Koalition

■ Zwei Jahre vor der Bundestagswahl brach am Donnerstag der Sturm im Wasserglas los / Nicht weniger als 15 Agenturmeldungen zum Thema „Koalitionsgerede“ ratterten seit Mittwoch Nacht über den Ticker

Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - 22.33 Uhr: Der FDP–Bundestagsabgeordnete Burkhard Hirsch geht trotz der Differenzen in der Bonner Koalition davon aus, daß das Bündnis zwischen Union und Liberalen bis zur Wahl 1990 hält: „Ich hoffe und denke, daß die Koalition den ihr vom Wähler erteilten Auftrag erfüllen kann. Aber eine Koalition ist ein Zweckbündnis, um bestimmte Ziele zu erreichen. Und dann hat der Wähler das Wort.“ 1.02 Uhr: Nahtlos knüpft Gerhard Schröder, SPD–Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, an, er halte schon 1990 eine sozialliberale Koalition in Bonn für möglich. 10.50 Uhr: Streicheleinheiten von SPD–Chef Jochen Vogel für Außenminister Hans Dietrich Gentscher. Dessen Abrüstungskonzept sei ein „konstruktiver Beitrag“ - wozu, steht nicht in der Meldung. 1.12 Uhr: Rückmarsch. Jochen Vogel mahnt seine Partei, keine Koalitionsüberlegungen „zur Unzeit“ anzustellen. Besonders in der Wirtschafts– und Sozialpolitik gebe es zwischen Gelb und Rot Differenzen. „Dies muß gesehen werden, sonst würden wir uns etwas vormachen.“ 12.31 Uhr: Das kann Oskar aus dem Saarland nicht ertragen. Noch vor dem Mittagessen funkt er dazwischen, die SPD werde, „wenn Koalitionen nötig und möglich sind, frühzeitig Verhandlungen mit der FDP aufnehmen“. Er glaubt, die Regierungskoalition wolle „ihren Kanzler loswerden“, sie wisse nur noch nicht wie. 13.06 Uhr: Erbost über die Meditiationen seiner Parteifreunde knallt der scheidende FDP–Landesvorstitzende aus Baden–Württemberg, Walter Döring, eine neue Variante in das Geplänkel. Im südlichen Wahlkampf seien „deutliche Annäherungen von CDU und SPD“ sichtbar geworden. Daher sei „nicht auszuschließen, daß die FDP sich selbst nach draußen vor die Türe wackelt“. 15.32 Uhr: Lambsdorff dementiert schwach, aber schwer beleidigt, er schließe eine baldige SPD/ FDP–Koalition nicht aus. 16.10 Uhr: Neue Nachrichten weichen Tageszusammenfassungen. Sie enden mit der Ankündigung, daß Genscher und Lafontaine sich am kommenden Samstag zu einem „Gedankenaustausch“ treffen werden. 17.10 Uhr: Kein Zweifel in der Redaktion: Das geht jetzt 728 Tage so weiter. Frei nach dem Motto: Jeder mit jedem, die WählerInnen für uns alle.