Neutralisierung

■ Afghanistans Zukunft liegt noch im dunkeln

Das einzige dauerhafte Resultat der Genfer Verhandlungen könnte die Neutralisierung Afghanistans sein. Militärstrategisch wäre das Land wieder, was es jahrhundertelang war: Pufferstaat. Mehr ist für die USA nicht zu erreichen. Die Mudjahedin haben also weiß Gott nicht für eine amerikanische Vorherrschaft gekämpft. Sie sind mit den Contras ebensowenig zu vergleichen, wie die jetzige afghanische Regierung mit den Sandinisten. Die US–Regierung hat einen außenpolitischen Trumpf verloren, ohne einen Stich zu setzen. Die Rückzugsabsicht der Sowjetunion wurde lange als Finte abgetan, weil sie zu früh kam. Die sowjetische Armee hatte zwar keine Aussicht zu siegen, aber geschlagen war sie auch nicht. Der Kampf hätte noch lange weitergehen können. Die verschiedenen Widerstandsgruppen trugen inzwischen ihre Rivalitäten aus, positive Pläne für die Zeit danach hatten sie bisher keine - sieht man von der gemeinsamen Formel ab, daß die neue Regierung „islamisch“ sein wird. Weder die „gemäßigten“ noch die „radikalen“ Gruppen wissen bisher, was das konkret heißen wird. Die angekündigte Koalitionsregierung der verschiedenen Gruppen ist ein formeller Kompromiß, dem keine weiterreichenden politischen und administrativen Vorstellungen entsprechen. Die gegenwärtige Situation ähnelt einem beliebten Trick beim Tauziehen. Die eine Seite läßt plötzlich los, und alle anderen purzeln durcheinander. Erhard Stölting