Die Repression nützt der Kirche in der CSSR

■ Mit Unterschriftenaktionen und öffentlichen Veranstaltungen machen die Katholiken in der CSSR auf sich aufmerksam / Der Staat verliert zunehmend an Einfluß in der vom Vatikan unabhängigen Staatskirche / Trotz Verfolgungen durch die Polizei hat die Rom–treue Untergrundkirche seit einigen Jahren wieder großen Zulauf

Von Florian Bohnsack

Auf der Sitzung des ZK–Plenums am Freitag legte Parteichef Jakesch noch einmal richtig los. „In der letzten Zeit haben antikommunistische Kräfte mit Hilfe einiger westlicher Massenmedien versucht, Oppositionsgruppen zu bilden und sie zu Aktionen anzustiften, die Unruhe und Spannungen in unserer Gesellschaft erzeugen sollen und die sogar hinter religiösen Motivationen versteckt werden“, wetterte er. Während sich in der Partei die Stalinisten um den Chefideologen Bilak und die weniger reformfeindlichen Pragmatiker um Ministerpräsident Strougal nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen können und zusätzlich selbstverschuldeter Nachwuchsmangel den politischen Prozeß lähmt, drängt sich die Katholische Kirche in das Vakuum. Wie gefährlich sie den Führern in Prag erscheint, zeigten auch kürzlich die Auseinandersetzungen um eine Demonstration für Glaubensfreiheit in Bratislava. Mit Wasserwerfern, Sprühwagen der Straßenreinigung und zivilen Fahrzeugen des Staatssicherheitsdienstes Statni Bezpecnost (StB) fuhren Geheimpolizisten in die über 2.000 Gläubigen vor dem Nationaltheater in Bratislava hinein, uniformierte Polizisten gingen mit Schlagstöcken, Hunden und Tränengas gegen die Demonstranten vor, westliche Journalisten wurden ausnahmslos verhaftet, wie über hundert Demonstranten auch. Es wurde der größte Polizeieinsatz seit dem Jahrestag des Einmarsches der Truppen des Warschauer Paktes. Die Bischöfe sterben aus Auslöser für diese Glaubensdemonstration ist die angespannte personelle Lage der Katholischen Kirche in der CSSR. Im Herbst letzten Jahres starben die Bischöfe Gabris und Varna, womit von insgesamt dreizehn Diözesen nun zehn ohne bischöfliche Leitung sind. Obwohl zwischen Vatikan und der Prager Regierung in den letzten Jahren eine Reihe von diplomatischen Kontakten stattgefunden haben, dürfen zwei vom Papst ernannte Bischöfe nicht amtieren. Denn Kirchenämter werden in der CSSR vom Staat vergeben, und der vergibt sie an „seine“ Kirche. Schon kurz nach der Machtübernahme 1948 schaffte es die KPTsch, den katholischen Klerus zu spalten und unter dem 1981 verstorbenen Kaplan Josf Plojhar eine Staatskirche zu entwickeln, sehr zum Ärger des Vatikan. Plojhar, der in Buchenwald und Dachau im KZ gesessen hatte, durfte die „Tschechoslowakische Volkspartei“ gründen, die sich katholisch orientierte und in der Volksfront mitarbeitete. Den Klerus sammelte er in der „Katholischen Aktion“, Bischöfe und Pfarrer, Nonnen und Ordensbrüder, die an dieser sich von Rom lösenden Verbindung nicht teilnehmen wollten, verloren ihre Ämter, wurden nicht selten in Arbeitsla gern oder Gefängnissen interniert. Papst Pius XII exkommunizierte Plojhar, nachdem dieser dabei geholfen hatte, den damaligen Primas von Böhmen, Erzbischof Beran, ebenfalls ins Lager zu schicken. Doch das nützte nichts, die tschechoslowakische Staatskirche blieb stabil. Die Staatsführung bedankte sich bei Plojhar gar mit dem Amt des Gesundheitsministers. Erst 1972 trat er in den Ruhestand. Der Prager Frühling 1968 unterbrach dieses Zusammenspiel von Kirche und Staat, doch drei Jahre später konnte sich die „Friedenspriesterbewegung“ mit neuem Namen wieder etablieren: „Pacem inter Terris“ (Friede auf Erden). So schaffte es die KPTsch, daß sich von den etwa 70 Prozent aller Tschechen und Slowaken, die sich zur Kirche bekennen, nur ein Drittel dem Vatikan direkt zuwendete. Die „Katakombenkirche“ Seit Ende der siebziger Jahre hat die papsttreue Kirche wieder großen Zulauf, besonders in der traditionell streng religiösen Slowakei. Über 10.000 Gläubige sollen sich regelmäßig in geheimen Zirkeln der „Katakombenkirche“ treffen. Längst hat sie unabhängige Strukturen entwickelt, wirken mehr als 500 heimlich geweihte Priester und einige Bischöfe im Sinne des Vatikans. Liturgische Feiern, Taufen, Eheschließungen und Totenfeiern werden illegal in Privatwohnungen abgehalten. Für den von der Prager Regierung bezahlten Klerus haben die Gläubigen nur Spott übrig, für sie sind die Friedenspriester „eine Art feudale Kirche“, die jedem Regime dienen würde. „Sie streben nach barocken Kostümen und Titeln“, heißt es in einer Flugschrift. Zwischen beiden Gruppen steht der Erzbischof von Prag, Kardinal Frantisek Tomasek, der sich zwar immer geweigert hat, Mitglied der „Friedenspriester“ zu werden, auf der anderen Seite aber eine vorsichtige Distanz zur Untergrundkirche wahrt. Auch er wurde 1976 vom Papst zum Kardinal ernannt, doch dauerte der Hader mit den Prager Behörden zwei Jahre, bis er im Veithsdom in Prag inthronisiert werden konnte. Seither hat sich der Ton zwischen Kirche und Staat verschärft. Die Regierung weigert sich angesichts dieser Entwicklung beharrlich, die freiwerdenden Posten in der Kirchenhierarchie durch den Vatikan besetzen zu lassen. Und mehr noch. Seit sich das polnische Episkopat nach der Ausrufung des Militärrechts zur stärksten Macht neben dem Staate profiliert hat, wird der Kirchenkampf in der CSSR mit allen Mitteln geführt. Inzwischen sollen über 100 Laien und Priester von der Staatssicherheit ermordet worden sein, heißt es aus Kirchenkreisen. Seit sich in den letzten Monaten die Auseinandersetzungen verschärft haben, filmen Gläubige bei Totenfeiern die Leichen, um die wahren Todesursachen ermitteln zu können. Denn während als häufigste Todesursache Selbstmord oder „Wahrscheinlich Selbstmord“ angegeben wird, ist es den Angehörigen verboten, die Särge vor der Beerdigung noch einmal zu öffnen. Tun sie es dennoch, wird die wahre Todesursache offenbar: schwerste Mißhandlungen. Davor sind auch Mitglieder der geduldeten Kirche nicht mehr gefeit, wie ein kürzlich nach Österreich geschmuggelter Film belegte. Ein Priester wurde in einem offenen Sarg zu Grabe getragen; die schweren Kopfverletzungen waren deutlich zu sehen. Darüberhinaus überfällt der Staatssicherheitsdienst dann und wann Klöster, konfisziert dabei Gebetbücher, Schreibmaschinen und kleine Druckmaschinen selbst dann, wenn diese ordnungsgemäß beim Staat registriert wurden. An die Kirchenpresse im Untergrund kommt sie aber jetzt nicht mehr so leicht. Zuletzt standen 1981 zwei Priester und vier Laien in Olomonc vor Gericht, weil sie in einem privaten Keller fünf Jahre lang geheime religiöse Schriften gedruckt hatten. „Bereicherung“ lautete ein Tatvorwurf, weil der Druck allein nach den tschechoslowakischen Gesetzen nicht strafbar ist. In den geheimen Druckereien der Katakombenkirche wurden inzwischen über 1.000 Buchtitel mit religiösen Texten herausgegeben, drei Samisdat–Zeitschriften behandeln nicht nur Glaubensfragen, sondern greifen auch die Staatsmacht wegen Übergriffen, Schwindel und Korruption an. „Das harte Vorgehen der Polizei stärkt die Kirche“, erklärte Kardinal Tomasek nach den Ereignissen in Bratislava. Die Kirchenhierarchie fühlt sich jetzt stark genug für eine offene Machtprobe. Seit Januar haben fast 400.000 Gläubige einen 31–Punkte–Katalog für Glaubensfreiheit unterschrieben, in denen die freie Verbreitung religiöser Schriften und das Ende der Diskriminierung von Katholiken am Arbeitsplatz gefordert werden. Und immer mehr Christen würden es wagen, offen gegen diese Unterdrückung vorzugehen, erklärte der Jurist und Organisator der Demonstration in Bratislava, Jan Cernogursky. „Derartige angemeldete Demonstrationen hat es in der CSSR bisher noch nicht gegeben.“ Durch den wachsenden Druck der Gläubigen wird nun auch die Staatskirche gezwungen, sich gegenüber dem Staat für mehr Glaubensfreiheit einzusetzen und eine eigene Politik zu formulieren, wie das Beispiel Tomasek zeigt. Gefährlich wird diese Entwicklung für die Prager Regierung auch noch aus einem anderen Grund: Der stärkste Druck von den Gläubigen wird in der Slowakei erzeugt. Eine Unterdrückung dieses Aufbegehrens von unten kann schnell in einen Nationalitätenkonflikt zwischen Böhmen, Mähren und Slowaken umschlagen. So kommt es denn auch nicht von ungefähr, daß es die Prager Führung bislang verstanden hat, einen Besuch des polnischen Papstes in der CSSR zu verhindern.